Kritik zu Ich bin Nummer 4
Ein intergalaktischer Flüchtling tarnt sich als Teenager an einer Highschool, muss dort neben Sexproblemen noch ganz Anderes bewältigen: ein wilder Genremix von »Blade Runner« bis »Jurassic Park«
Michael Bay, dieser Name steht nicht für cineastische Feinkost. Der frühe Videoclipregisseur zeichnet als Produzent für uninspirierte – aber erfolgreiche – Remakes von Horrorklassikern wie »The Texas Chainsaw Massacre« und »Freitag der 13.« verantwortlich. Er ist buchstäblich der »Bad Boy« des Kinos. Seine Filme sind Pop-ups: Der rasant forcierten Visualität fehlt es wie bei »Transformers« an Herz und Inspiration.
Ausgerechnet dieser Michael Bay produziert nun einen überdrehten Mystic-Action-Thriller, der das Exploitation-Prinzip aus sich selbst heraus transzendiert. Und das mit einem Regisseur, D.J. Caruso, der bislang auch nicht gerade als Ästhet in Erscheinung getreten ist. Die Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Roman von Pittacus Lore und hat eigentlich nur den Zweck, eine haarsträubende Kombination Kombination von Szenarien zu motivieren. »Ich bin Nummer 4« ist ein wilder Genremix, in dem irgendwie gar nichts zusammenpasst und auf überraschende Weise doch alles möglich ist. Der Film erzählt die Geschichte des Teenager-Aliens John, verkörpert von dem angesagten britischen Modelschauspieler Alex Pettyfer. Sein Heimatplanet, so erfahren wir in der Off-Erzählung, wurde zerstört, seither befindet er sich auf der Flucht vor bösen Außerirdischen – von denen wir nichts erfahren, außer dass sie schicke, schwarze Mäntel tragen und sportlich auf ihn Jagd machen wie die »Predatoren« aus McTiernans Alienklassiker.
Um nicht aufzufallen, reist John mit seinem Ziehvater Henri (Timothy Olyphant) durch die Staaten. Ihre nomadische Existenz erinnert wiederum an die Vampire aus Kathryn Bigelows »Near Dark«. Während eines Aufenthalts in einer Kleinstadt in Ohio erfüllt John sich den Traum, endlich einmal ein ganz »normaler« Junge zu sein, der zur Schule geht. Mit dieser Wendung motiviert der Film jene für das Highschool-Genre üblichen Szenen vor den Blechspinden. John streitet mit dem arroganten Lokalmatador um ein nettes Mädchen – gespielt von Jungstar Dianna Agron. Die dabei in John erwachende Sexualität drückt sich aus in einschlägigen »Superkräften«, die an die »X-Men« erinnern.
Vollständigkeit kann diese Aufzählung der Versatzstücke nicht beanspruchen. Denn immer wenn es ermüdend zu werden droht, überrascht die Amphetamindramaturgie mit einer neuen skurrilen Wendung.
Wenn John gegen finstere Aliens und bissige Dinos kämpfen muss, wird das comicartige Szenario endgültig zum Egoshooter. Ein abgeschossener Gegner zerfällt zu Staub wie Dracula, wenn man den Vorhang aufzieht.
Nach der Moral dieses hysterischen Spektakels, das in merkwürdig dunklen Bildern gefilmt ist, sollte man eher nicht fragen. Die Genre-Geisterbahn folgt konsequent der Ästhetik der Überdosis. Nach dem Vorbild der »Transformers« verbiegt und faltet Michael Bay nun keine Autos, sondern die einschlägigen Motive des Teenhorror- und Highschoolfilms. Gelegentlich gibt es ein selbstironisches Augenzwinkern – etwa wenn John auf einem Pferdefuhrwerk durch die Geisterbahn rollt. In ruhigen Momenten bleibt sogar Zeit, um eine Vater-Sohn-Beziehung halbwegs glaubhaft zu zeichnen.
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