Kritik zu Der Name der Leute
Michel Leclerc setzt in seiner Komödie ein bewährtes Rezept ein – ein in seinem Alltag verkrusteter Mann trifft auf eine quicklebendige junge Frau
Bahia (Sara Forestier), eine wilde Studentin mit Lockenmähne, Puppengesicht und ewig verrutschenden Schlotterkleidchen, stammt nicht aus der gleichnamigen brasilianischen Stadt, sondern aus den Pariser Banlieus und heißt mit Nachnamen Benmahmoud. Arthur Martin (Jacques Gamblin), ihr um zwanzig Jahre älterer Liebhaber, tut sich dagegen schwer mit seinen emotional verkarsteten Eltern, die an die Technikfreaks der neuen Nachkriegsfranzosen in Tatis »Mon oncle« erinnern.
Bahia lebt das krasse Gegenteil des arabischen Frauenbildes, indem sie mit rechtslastigen Typen schläft, um sie zu ihrer spontilinken Aufmüpfigkeit zu bekehren. Arthur geht eigentlich in seinem Beruf als Tierseuchenexperte auf, ist aber von Bahias schrillem Charme fasziniert und beginnt die eigene, nur scheinbar urfranzösische Identität zu befragen. Seine dem Holocaust entronnene jüdische Mama wählte den camouflierenden Namen Arthur, um ihn vor künftigen Verfolgungen vorsorglich zu bewahren.
Solch forcierter bitterer Witz zielt in der Thesenkomödie »Der Name der Leute« auf eine bestimmte Wahrnehmung des Integrationsproblems. Dem Regisseur Michel Leclerc und seiner Koautorin und Lebensgefährtin Baya Kasmi geht es in ihrem entfernt autobiografisch getönten Film um die zweite Generation von Menschen, deren Identität nicht rein aus französischen Wurzeln stammt. Der Name helfe längst nicht mehr, um jemanden einem geschlossenen französischen, arabischen, jüdischen oder anderen Milieu zuzuordnen.
Woody Allens absurde Stories aus dem Melting Pot New York vor Augen, schicken die Autoren ein asymmetrisches Liebespaar auf die Piste, um den emotionalen Wust vorzuführen, in dem sich diese Generationsgruppe im Ringen um ihre ambivalente eigene Identität verheddert. Der liberale Blick auf die Fallstricke selbstverordneter Assimilation verschiebt die realen sozialen Konflikte in die dralle Situationskomik eines Psycho-Wohlfühlkinos. Kein Wunder, dass »Der Name der Leute« den französischen Filmpreis für sein Drehbuch erhielt und auch die Hauptdarstellerin Sara Forestier für die outrierte Sexyness der Bahia ausgezeichnet wurde.
Bahia und Arthur strapazieren einander in einer Tour de force obskurer Weltverbesserungsaktionen, wobei Seitenhiebe auf die alten obsolet gewordenen Links-Rechts-Muster französischer Politik ausgeteilt werden. Bahias französische Mama, eine 70er-Jahre-Spontifrau, verfolgt beispielsweise die nervende Obsession, Franzosen zu Scheinheiraten mit Immigranten zu animieren. Bahias Papa, der Inbegriff des duldsamen algerischen Arbeiters, setzt sein Heimweh in der Besenkammer in expressive Ölbilder um. Arthurs Mama ihrerseits, die mit der provozierend unkonventionellen jungen Frau nur schwer warm wird, konfrontiert als demente alte Dame ihren Sohn plötzlich mit dem Geheimnis ihrer Rettung vor den Nazischergen. »Der Name der Leute« ersetzt alte Klischees durch neue und feiert die ethnische Melange als gesellschaftlichen Stabilitätsfaktor.
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