Kritik zu Hell
Man stelle sich vor: Die Sonne brennt über Deutschland! In Tim Fehlbaums prominent besetztem Spielfilmdebüt wird daraus eine düstere Endzeitvision
Kein schlechter Karrierestart für einen 29- Jährigen: Nach einem bei »Shocking Shorts« 2004 preisgekrönten Kurzfilm wurde Tim Fehlbaums Langfilmdebüt von zahlreichen Förderinstanzen unterstützt und nun von der deutschen Filiale eines US-Majors in die Kinos gebracht, nachdem es bei seiner Premiere (Filmfest München) bereits mit dem hoch dotierten Förderpreis Deutscher Film in der Kategorie Regie ausgezeichnet wurde. Die Liste der Unterstützer, denen im Abspann gedankt wird, ist lang, und Roland Emmerich hat einen Credit als Executive Producer.
Hell ist ein Endzeitfilm mit einer überschaubaren Gruppe von handelnden Personen, angesiedelt in einer nahen Zukunft (2016), in der die gleißende Sonne das Leben auf der Erde weitgehend ausgelöscht hat und die gesellschaftliche Ordnung zusammengebrochen ist. Das wird dem Zuschauer in einem knappen Text zu Beginn erläutert, die Geschichte konzentriert sich darauf, wie eine kleine Gruppe von Menschen versucht zu überleben, was nur möglich ist, wenn man sich tagsüber dick vermummt, um den Strahlen der Sonne zu entgehen.
In einem klapprigen Auto schlagen sich diese drei Menschen durch, sie wollen die Berge erreichen, in denen es noch Wasser geben soll. Sie sind nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft, wie Marie (Hannah Herzsprung) ihrer kleinen Schwester Leonie (Lisa Vicari) erklärt. Phillip (Lars Eidinger) gehört der Wagen, deshalb haben sie sich mit ihm zusammengetan. Phillip dürfte das ähnlich sehen; als sie an einer Tankstelle einem Typen begegnen, der sie zuerst ausrauben will, bietet Phillip ihm bald an, mit ihnen zu kommen: Tom (Stipe Erceg) hat Ahnung von Autos, was sich als überlebensnotwendig erweisen könnte.
Doch dann geraten sie an eine Gruppe von Fremden, die Leonie entführt und auch schon andere Gefangene in ihrer Gewalt haben. Ein Befreiungsversuch scheitert. Dass Marie daraufhin ausgerechnet in einer Kirche einer älteren Frau begegnet, die Hilfe anbietet, könnte ein Hoffnungszeichen sein, dürfte aber jedem Zuschauer, der mindestens einen Backwoods- Horrorfilm gesehen hat, klarmachen: Das Schlimmste kommt noch.
Für eine Endzeitvision als Kammerspiel braucht es nicht viel – eine zerstörte Landschaft mit gelegentlich sichtbaren Resten der untergegangenen Zivilisation und eine Handvoll Menschen, zwischen denen durch die äußere Bedrohung entweder der Zusammenhalt oder aber das Misstrauen wächst. Hell findet am Anfang einige eindrucksvolle Bilder, er hat später haften bleibende Momente, wenn er die Situation verdichtet, so wenn Angela Winkler in drei knappen Sätzen begründet, warum sie und ihre Sippe das tun, was sie tun. Was dem Film aber fehlt, ist das Interesse für seine Figuren. Deren Charakterisierungen bleiben minimal. Das letzte Drittel soll dann pures Spannungskino sein, da können die Figuren gar keine Konturen mehr gewinnen. Mit der um den Tisch versammelten Sippschaft, dem Schlachthofsetting mitsamt Bolzenschussgerät, Haken und abwaschbaren Vorhängen wirkt das Ganze da wie eine um Splatterszenen bereinigte Version des Texas Chainsaw Massacre. Schade.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns