Kritik zu Restless
Keine Angst vor dem seichten Mainstream: Henry Hopper und Mia Wasikowska spielen in Gus Van Sants neuem Film zwei ungeheuer originelle Teenager mit ungeheuer originellen Problemen, die kein Auge trocken lassen
Ein bisschen fühlt es sich so an, als habe man diesen Film schon einmal gesehen, wenigstens Versatzstücke daraus. Ein junger Mann mit bleichem Gesicht (Dennis Hoppers Sohn Henry) sitzt in den hinteren Reihen einer Trauerfeier und droht vom Pfarrer als nicht geladener Gast entlarvt zu werden. Aber da kommt ihm eine junge, ebenfalls blasse Frau (Mia Wasikowska) zu Hilfe. Sie tauschen sich ungeheuer schlagfertig aus – und gehen erst mal entnervt auseinander. Aber natürlich laufen sie sich wieder über den Weg. Und natürlich stellt sich heraus, dass sie vieles gemeinsam haben, zum Beispiel die Nähe zum Tod, auch wenn er für beide etwas anderes bedeutet. Der junge Mann hat in gewisser Weise schon hinter sich, was der jungen Frau erst noch bevorsteht. Und während sie sich kennenlernen und entdecken, was für intelligente und kreative Menschen sie doch sind, weht es von der Leinwand her dicke Schwaden von Melancholie.
Was Restless zu Bewusstsein bringt, ist vor allem eines: Es war schon immer schwer sich vorzustellen, dass der gleiche Regisseur, der den verschlossenen, mysteriösen und unheimlichen Elephant gemacht hat, auch für den Schmus von Good Will Hunting verantwortlich sein soll. Dass der Großmeister des Ungefähren und Vagen, der in Last Days und Gerry das Diffuse auf zwingende Weise zu Kino machte, den einfallslosen Forrester – Gefunden! inszeniert haben soll. Und der Unterschied liegt nicht im Gegensatz von Independent und Mainstream, sondern in Tiefe versus Oberflächlichkeit oder gar in genialisch versus seicht.
Die beiden Teenager, um die es in Restless geht, sind so sichtlich reine Drehbuchkonstrukte, dass man das Papier rascheln hört. Der Junge Enoch (Hopper) hat einen Freund namens Hiroshi (Ryo Kase), von dem man erst nach und nach begreift, dass er imaginär ist. Als wäre das noch nicht originell genug, handelt es sich bei Hiroshi auch noch um einen japanischen Kamikaze-Flieger aus dem Zweiten Weltkrieg. Und Annabel (Wasikowska), deren tödliche Krankheit selbstverständlich eine ist, die das hübsche Antlitz nicht verzerrt, zeichnet gerne Vögel und schwärmt für Darwin. Gut, Enoch und Annabel sollen Außenseiter sein, aber selbst dafür haben sie sich merkwürdig unzeitgemäße Vorbilder gewählt.
Das Künstliche und Gestelzte der beiden Hauptfiguren verhindert denn auch, dass man die angeblich zwischen ihnen entstehende tiefe Bindung glauben kann. Es bleibt ein Rätsel, was diese beiden um sich selbst kreisenden jungen Menschen einander wirklich zu sagen hätten. Der Film erspart uns in dieser Hinsicht die langweiligen Details, indem er die gemeinsamen Unternehmungen in Montagesequenzen mit Musikuntermalung schildert. Wie bereits die Eingangsszene auf der Trauerfeier kommt dabei die Erinnerung an Hal Ashbys Harold und Maude in den Sinn. Aber wo Ashby das Unwahrscheinliche, dass ein 20-Jähriger sich stürmisch in eine 80-Jährige verliebt, glaubhaft machen konnte, versagt Gus Van Sant am Wahrscheinlichen. Warum würde ein Mädchen, das um den eigenen nahen Tod weiß, ihre Zeit mit einem narzisstischen Nerd wie Enoch verbringen wollen?
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns