Kritik zu The Messenger

© Senator

Was man politisch daraus macht, ist dem Zuschauer überlassen: Woody Harrelson und Ben Foster als seelisch gebrochene Soldaten an der Heimatfront

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In Steven Spielbergs Der Soldat James Ryan gibt es zu Beginn eine Szene, da tritt eine alternde Frau auf die Veranda ihres kleinen Farmhauses, irgendwo in der Einöde des amerikanischen Kernlandes. In der Ferne sieht sie einen Militärjeep auf ihr Grundstück zufahren. Unwillkürlich muss sie sich auf die Treppe ihrer Veranda setzen, als drohten sämtliche Kräfte sie auf einmal zu verlassen. Ohne dass auch nur ein Wort gewechselt wurde, weiß sie, was der nahende Wagen bedeutet: Ihr Sohn ist im Krieg getötet worden. Diese beiläufige Szene gehört zu den berührendsten Momenten in Spielbergs Film, und erstaunlicherweise haben erst in jüngerer Zeit Filmemacher die Situation an der »Heimatfront « für sich entdeckt, um eine Auswirkung des Krieges darzustellen, die gerne verdrängt wird, die für den zivilen Zuschauer jedoch weitaus nachfühlbarer ist als martialische Feuergefechte. Oren Moverman zum Beispiel macht in seinem beeindruckenden Regiedebüt The Messenger genau da weiter, wo Spielberg aufhörte: Bei ihm stehen jene Männer im Mittelpunkt, deren Aufgabe es ist, die nächsten Angehörigen gefallener Soldaten über den Tod ihrer Ehemänner oder Ehefrauen, ihrer Töchter und Söhne zu informieren.

Nachdem er im Irak schwer verwundet wurde, soll der junge Staff Sergeant Will Montgomery (Ben Foster) die letzten Monate seines Militärdienstes in New Jersey bei der »Casualty Notification«-Einheit absolvieren. Sein Partner ist Tony Stone (Woody Harrelson), ein erfahrener Berufssoldat, der die Benachrichtigungen mit professioneller Distanziertheit überbringt. Als Erstes weist er Will in die ehernen Regeln des Jobs ein: kein Körperkontakt mit den trauernden Angehörigen, keinerlei Emotionen zeigen, Ruhe bewahren – und nach der Todesmitteilung so schnell wie möglich wieder verschwinden. Dieses protokollarische Vorgehen dient dem Schutz der Überbringer, aber natürlich zeigt sich, dass die tägliche Konfrontation mit Tod und Trauer tiefe Spuren hinterlässt. Immer wieder fällt Will aus der Rolle, kann sein Mitgefühl nicht verbergen, überschreitet die Grenze der militärischen Professionalität zugunsten des menschlichen Bedürfnisses nach Nähe. Und nach einer Weile erweist sich gar der vermeintlich knallharte Tony Stone als der seelisch Labilere von beiden.

Das mag dramaturgisch konventionell klingen, ist aber vom gesamtem Ensemble so eindringlich gespielt und von Moverman so zurückgenommen und ohne jeden Anflug von Antikriegspathos inszeniert, dass es gerade in seiner »Gewöhnlichkeit« eine große Wahrhaftigkeit bekommt. Ohnehin liegen die Stärke und die Größe von The Messenger in der Nüchternheit, mit der Moverman den Alltag seiner beiden Protagonisten zeigt: zwischen trauernden Angehörigen bei Tag und depressiver Einsamkeit bei Nacht. Und mit jedem Einsatz und jeder Ruhepause in schummrigen Bars und schäbigen Motels lernen wir Will und Tony ein klein wenig besser kennen.

Moverman gibt seinen Hauptdarstellern Raum und Ruhe, um ihre Charaktere zu entwickeln. Ben Foster als verschlossener Jungveteran und Samantha Morton als Soldatenwitwe liefern stille, fein modulierte Porträts kriegsversehrter Menschen. Und Woody Harrelson findet in Tony Stone endlich wieder eine Rolle, die ihn fordert. Er macht es weder sich selbst noch den Zuschauern einfach. Mit rasiertem Schädel, hartem Zug um Mund und Augen, einer nur mühsam gezügelten Aggressivität und kalten Professionalität ist sein Stone kein sympathischer Mann. Und doch legt Harrelson ganz allmählich auch sanftere Facetten an ihm frei, ohne ihn dadurch zu verraten. Am Ende ist Stone immer noch ein harter Knochen, aber einer, der sich nach allem, was geschehen ist, in seiner ausgestellten Abgebrühtheit nicht mehr so sicher fühlt.

Immer wieder spielen Will und Tony ihr Procedere ab, und jedes Mal zeigen sich der Schmerz und der hilflose Zorn der Angehörigen auf andere, verstörende Weise. Bis man irgendwann auch als Zuschauer beginnt, sich vor dem Moment zu fürchten, wenn die beiden mit ihrem Dienstfahrzeug vor einem Wohnhaus halten. Diese zermürbende Wiederholung des immer gleichen Rituals gibt dem Film etwas Existenzialistisches, macht ihn zu einer eigentümlichen Meditation über Leben, Tod und den Umgang mit Trauer.

In gewisser Weise bildet The Messenger auch das »Homefront«-Gegenstück zu Kathryn Bigelows Hurt Locker, der mit ähnlicher Konsequenz den Alltag einer hochspezialisierten Soldateneinheit zeigte. Das Entschärfen von Bomben und das Überbringen von Todesnachrichten gelten bei Soldaten als die härtesten Jobs, die man haben kann – und es ist ein passender Zufall, dass Will im Irak ausgerechnet durch einen Sprengsatz verwundet wurde. Wie Bigelow enthält auch Moverman, selbst ein Veteran der israelischen Armee, sich eines eindeutigen politischen Statements. Sein Film ist von einem tiefen Respekt gegenüber den Soldaten geprägt. Was man politisch daraus macht, ihren Familien beim Zerbrechen zuzusehen, überlässt Moverman jedem Zuschauer selbst.

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