Kritik zu John Wick
Keanu Reeves geht als Exkiller auf Rachefeldzug gegen die Russenmafia
Die Ausgangssituation ist von bestechender Absurdität: Der legendäre Profikiller John Wick beginnt einen infernalischen Krieg mit der Russenmafia, weil der Juniorchef des Clans sein putziges Hundebaby ums Leben gebracht hat. Wo Lee Marvin bei seinem Rachefeldzug in Point Blank einst »Where is my money?!« bellte, da knurrt Keanu Reeves nun: »He killed my dog.« Bei einer Genreparodie würde das abgeschmackt wirken. Aber mit Humor hat John Wick nichts am Hut, und ironischerweise gewinnt die maßlose Unverhältnismäßigkeit seiner Reaktion genau dadurch einen gewissen Charme. Man nimmt diesem John Wick den biblischen Zorn ab, nachdem der vulgäre Mafiaschnösel das Hündchen ganz nebenbei erschlägt. Zugleich wird einem bewusst, wie bedeutungslos bei dieser Sorte Film der Grund für die blutige Raserei ist: entführte Tochter, geraubtes Geld oder getöteter Hund – alles nur Mittel zum Zweck, um die eigentliche Story in Gang zu bringen.
Bei John Wick bedeutet das: Waffenarsenal auspacken und keine Gefangenen machen, bis der Hundemörder zur Strecke gebracht ist. Damit sollte der Kinospaß eigentlich erst richtig losgehen, aber leider ist genau das Gegenteil der Fall. Je länger John Wick ballernd, Genicke brechend und Kehlen schlitzend durch die Unterwelt zieht, desto langweiliger wird das Ganze. Das hat nichts mit Abstumpfungseffekten zu tun, sondern mit einer Inszenierung, die sich explizit auf die Ästhetik und Dramaturgie von Ego-Shootern und Spielen wie »Hitman« bezieht. Man merkt den Regisseuren Chad Stahelski und David Leitch an, dass sie als Stunt-Koordinatoren und Second-Unit-Regisseure bei Filmen wie Parker und Die Tribute von Panem ihr Handwerk gelernt haben. Die Actionszenen sind souverän choreographiert, und man verliert nie den Überblick. Man wird aber auch nie gepackt, weil sich alles irgendwie zu reibungslos und mechanisch abspult. Von Bedeutsamkeit und Haltungen wie »action is character« ganz zu schweigen.
Schön ist zwar auch die Idee, die Geschichte in einer Art New Yorker Parallelwelt spielen zu lassen, die in ihrer Mischung aus Realismus, Retrolook und Märchenmotiven seltsam aus der Zeit gefallen scheint. Aber anders als etwa in Walter Hills auf ähnliche Weise stilisiertem Strassen in Flammen wirkt dieses Universum nicht rau und lebendig, sondern albern gekünstelt. Und so dankenswert schnell der Film die Einführung abhandelt, so wenig Resonanz haben sämtliche Charaktere, insbesondere auch die Schurken. Schauspieler wie Ian McShane und Willem Dafoe bekommen nichts zu tun, Michael Nyqvist wird zur Witzfigur degradiert. Und dass Keanu Reeves auch mit 50 noch das Zeug zum Kämpfer hat, wissen wir sowieso schon lange – wenn er loslegt, stellt sich also auch kein euphorisierender Überraschungseffekt ein, wie etwa als Liam Neeson sich auf seine alten Tage in 96 Hours plötzlich in eine Art Terminator verwandelte. Der menschliche Faktor ist in jeder (Meta-)Hinsicht eben doch nicht zu unterschätzen. »Gut gemacht« bleibt da zu wenig.
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