DVD-Tipp: »Emmanuelle« (2024)
Unaufgeregt und zurückhaltend, aber auch schonungslos realistisch erzählte Audrey Diwan in ihrer Annie Ernaux-Verfilmung »Das Ereignis« vom Kampf einer jungen Frau um das Recht auf freie Gestaltung ihrer Zukunft durch Abtreibung. Wenn sie sich jetzt das Remake des 70er-Jahre-Erotik-Thrillers »Emmanuelle« vornimmt, ist klar, sie wird der männlichen Perspektive von Just Jaeckin eine weibliche entgegensetzen. Wie die damals von der Niederländerin Silvia Kristel gespielte, sexuell unerfahrene Emmanuelle reist nun auch die von der Französin Noémie Merlant (»Porträt einer jungen Frau in Flammen« und aktuell »Les Balconettes«) verkörperte Version nach Asien, allerdings nicht nach Thailand, sondern nach Hongkong, und auch nicht, um ihren Diplomaten-Ehemann zu besuchen, sondern deutlich selbstbestimmter als Qualitätsprüferin von Luxus-Hotels.
Sex über den Wolken war 1974 noch eine Männerfantasie. 50 Jahre später geht die Initiative von Emmanuelle aus. Zum Objekt der Begierde taugt diese Frau eher nicht, sie weiß, was sie will, und holt es sich. Auf die sexuelle Revolution der 70er folgt die Melancholie des Alles-schon-Gehabt in den aktuellen 20ern. Audrey Diwan bezieht sich auf das Original und setzt sich zugleich davon ab, erzählt ähnliche Ereignisse in Form von weiblicher Selbstermächtigung: Auch die neue Emmanuelle rekapituliert ihre Flugzeug-Eskapade, allerdings nicht für eine Freundin, sondern einen geheimnisvollen Fremden im Hotelfoyer.
Der Mikrokosmos des Luxushotels mit seinen verführerischen Oberflächen wird zum Symbol des sich verzehrenden Spätkapitalismus: Mit wiegendem Gang, bewegt sich Emmanuelle in High Heels und weich um ihren Körper fallenden Stoffen durch die Flure des Hotels, verlockend und abweisend, fordernd und vernichtend, während im Hintergrund die Renovierungsarbeiten in einem unbewohnten Flügel aus dem Ruder laufen.
VÖ: 1. Dezember 2024
Bestellmöglichkeit (DVD/Blu-ray)
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