Kritik zu Die Akademie
Institutionalisierte Grenzenlosigkeit: Regisseurin Camilla Guttner entfaltet einen Bildungsroman um eine junge Kunststudentin, die im Karneval der Egos, Strömungen und Launen ihren eigenen Weg zu finden hofft
Für die 19-jährige Jojo (Maja Bons) geht ein Traum in Erfüllung: Sie wird nicht nur an der Münchner Akademie der Bildenden Künste aufgenommen, sondern gleich in der Malereiklasse des Weltstars Robert Copley (Jean-Marc Barr). Doch das bedeutet erst einmal ein Bewährungsjahr, in dem sich die Fantasie vom Kunstolymp entzaubern darf. Copley ist wankelmütig, sein Assistent piesackt Jojo, ihre ersten Bilder werden gestohlen, eine Liebschaft vergeht und ein mysteriöser Fremder tritt immer wieder aus dem Schatten an sie heran. Gleichzeitig wird sie aufgesogen in die illustren Kreise aus Stars, brotlosen Künstlerinnen, Spinnern, affektierten Galeristen, verlebten Aktmodellen, Geldadel, gefallsüchtigen Talentlosen und One-Hit-Wondern.
Die als Karrieretriumphatoren auftretenden Professoren bringen ein Pathos in ihren Unterricht, für den die Klassenzimmer nicht gebaut sind. Dringlichkeit, Not und Drastik der Kunst wollen sie jungen Menschen abringen, die mit bloßer handwerklicher Anleitung rechnen. Was ihnen gepredigt wird, sprengt den Rahmen der gelehrsam gezückten Notizbücher.
Vor allem Prof. Roeg (Andreas Lust), als Künstler gefeiert, übertritt dabei regelmäßig die Grenzen nicht nur des guten Geschmacks, sondern auch der sexuellen Belästigung und der Schikane. Dass sich all das in einem Nebel der Kunst vollzieht, erklärt ihn zur artistischen Naturgewalt. Dass er etwas wachrüttelt in den Menschen um ihn, lässt sich nicht leugnen. Das ist dann auch das Dilemma dieser Kunstakademie: Sie ist der Versuch der institutionalisierten Grenzenlosigkeit.
Wenn man dem Kunstmarkt mit seinen arbiträren Launen ausgeliefert ist, gibt es wenig Richtiges und viel Falsches. So ist »Die Akademie« ein gelungener Bildungsroman, in dem Jojo Strömungen und Figuren geistig folgt (neben den Professoren etwa dem Schlagerkünstler Dagobert, gespielt von sich selbst, oder einer sich verrennenden Freundin, Luise Aschenbrenner), um sich anschließend von ihnen abzunabeln und zu etwas Eigenem zu finden. Abseits ihres Weges lauern Banalität, Selbstkasteiung und die Unfähigkeit zum Leben in Gemeinschaft. An seinem Ende aber, so wollen wir hoffen, etwas Wahrhaftiges.
Regisseurin Camilla Guttner gelingen durchweg sehr lebendige Momente, getragen durch die wie beiläufig und aus dem Affekt gespeisten Dialoge. So werden alle Figuren in ihrer Eigenheit und auch Schäbigkeit glaubwürdig. In der konventionellen Inszenierung haben das Ensemble und die vielen einprägsamen Nebenfiguren Luft zu atmen und sich aneinander zu reiben.
Die Kunst in »Die Akademie« ist dabei eher Katalysator für eine im Kunstbetrieb verdichtete und ästhetisierte Lebensintensität. Wenn über sie gesprochen wird, dann häufig in beiläufig-verlegenen Floskeln wie »geile Idee«, »hat was«, »berührt mich«. Dass im Mittelpunkt aber die noch ungeborene (und unkommentierte) Kunst Jojos steht, rückt eines ins Rampenlicht: Die zarte Hoffnung auf eine Kunst, die es in sich hat, die eingehegte Alltäglichkeit zu überschatten.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns