Kritik zu Universal Language

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Kanada oder Iran? In Matthew Rankins surrealer Komödie vermischen sich ganz ­selbstverständlich Orte, Sprachen und Zeiten, verknüpfen sich unvermutet verschiedenste Schicksale und ist die Vereinigung des Unvereinbaren Programm

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Der Regisseur vergleicht seinen Film mit dem Zusammenfließen zweier Flüsse – oder einer Pizza Hawaii. Die Handlung, zusammengesetzt auf klassische Weise aus verschiedenen Episoden, die irgendwann eine unwahrscheinliche, doch leichte Verknüpfung finden, spielt in den winterlich verschneiten Städten Québec und Winnipeg, wo allerdings die meisten Menschen Farsi sprechen und entsprechende Namen tragen. Auch Werbetafeln, Laden- und Straßenschilder – alles Farsi: »Willkommen in Winnipeg – Eine tolle Stadt!« begrüßt da den Reisenden eine große Tafel am Straßenrand.

Die Einwohner dieses persischen Kanadas bewegen sich durch weiträumige brutalistische Architektur, durch graue oder beige Betonwüsten – in wunderbar grafischen Filmbildern eingefangen – und erleben viele merkwürdige Dinge. Ein Fremdenführer mit niedlichen pinken Strickohrenwärmern führt eine Gruppe verwirrter Touristen zu den »Sehenswürdigkeiten«; zwei Grundschülerinnen finden auf der Straße einen Geldschein, eingefroren im Eis, und suchen nach einem Weg, ihn daraus zu befreien und mitzunehmen; ein frustrierter junger Mann namens Matthew (gespielt vom Regisseur) gibt da seinen Job in einem trostlosen Ministerium in Québec auf, begibt sich auf die Reise nach Winnipeg, um endlich seine alte Mutter zu besuchen, und erlebt einige Irritationen.

Matthew Rankin, 1980 geboren in Winnipeg, reiste bereits in jungen Jahren in den Iran, um dort das Filmhandwerk zu erlernen, weil er das iranische Kino bewunderte. Danach drehte er in Kanada Dutzende von Kurzfilmen und gewann mit seinem ersten langen Film, der Polit-Fantasy »The Twentieth Century«, einige internationale Preise. Tummelte sich Rankin da noch mehr in grell dadaistischen Gefilden, hat er sich mit »Universal Language« dem Zauber des Surrealismus zugewandt.

Die filmischen Bezugspunkte seines bedächtig ausgebreiteten Puzzles sind zahlreich: Die vielen kargen, grauen Szenerien, in denen kalte und warme Farbtöne miteinander im Clinch zu liegen scheinen, und die bis ins kleinste Detail reichende Stilisierung und Künstlichkeit dieser Welt erinnern an den schwedischen Maverick Roy Andersson, die heiteren Ausgestaltungen auch mal an Wes Anderson, so wie jener »Kleenexladen«, der vollständig aus Kleenex-Packungen gebaut scheint. Die zärtliche Melancholie der Erzählhaltung ist mit der eines Aki Kaurismäki verwandt, während beim Stichwort Winnipeg natürlich auch der Hinweis auf den großen surrealen Experimentator Guy Maddin nicht fehlen darf. Die iranisch wirkenden Figuren wiederum, ihre Kostüme wie auch die Autos mit dem Flair der 1970er Jahre, spielen auf die von Rankin verehrten Meister des iranischen Kinos Abbas Kiarostami oder Jafar Panahi an. Auch der eigenartige Realismus, der immer wieder hinter dem surrealistischen Setting hervorlugt, erinnert an diese Traditionen.

Doch aller Einflüsse zum Trotz: Rankin und seine Co-Autoren haben mit »Universal Language« etwas Eigenes geschaffen, das in jedem Moment totale künstlerische Freiheit und großes Selbstbewusstsein atmet. Nicht jede absurde Begebenheit, nicht jeder humorvolle Dialog funktioniert; manches wirkt gezwungen, anderes beliebig in seiner kombinatorischen Logik – Surrealismus kann auch danebengehen. Dafür gelingen Rankin immer wieder umso bezauberndere Momente, Bilder, die faszinierend zwischen Fremd- und Vertrautheit oszillieren, und solche von traumhafter Schönheit, etwa wenn eine Eisläuferin im Glitzerkostüm nachts ihre Runden dreht, begleitet von elegisch-geheimnisvollem persischem Saitenspiel. 

»Universal Language« ist zudem so buchstäblich wie unaufdringlich menschen- und völkerverbindend: Indem er eben nicht nur diverse Schicksale, sondern zwei sehr verschiedene Kulturen mit solcher Leichtigkeit ineinanderfließen lässt, erinnert Rankin uns daran, wie sehr sich Menschen trotz aller Unterschiede ähneln.

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