Kritik zu Verbrannte Erde
Thomas Arslan inszeniert einen Gangsterfilm, in dem er ohne überflüssiges Wort oder Geste von einer Gesellschaft erzählt, in der es selbst unter Dieben keine Ehre mehr gibt
Am Beginn steht ein nächtlicher Einbruchdiebstahl in einer Essener Villengegend. Doch der anschließende Deal geht schief, und Trojan (Mišel Maticevic) sieht sich um die verabredeten Fünfzigtausend für ein Set edler Uhren betrogen. Anstatt es sich für eine Weile in einer Hängematte am Strand bequem machen zu können, ist er gezwungen, mit quasi leeren Händen nach Berlin zu fahren. Dort hat er noch ein paar Kontakte, von denen er sich die Vermittlung eines neuen Coups erhofft. Allerdings sind seit Trojans wenig erfreulichem letzten Berlinaufenthalt zwölf Jahre vergangen, und die Zeiten haben sich geändert; alte Kumpane haben Familien gegründet, führen Unternehmen, denken an den Ruhestand und allenfalls noch an das »letzte große Ding«.
Von dem weiß doch jeder, dass es schiefzugehen pflegt. Und doch wird es wieder und wieder in Angriff genommen – so auch hier: Das kleine Gemälde »Frau vor der untergehenden Sonne« von Caspar David Friedrich ist für eine Ausstellung in der Stadt. Einer, der im Hintergrund an Fäden zieht, will es haben; er bietet für die Beschaffung sehr viel Geld. Und das Quartett – Trojan, eine Fluchtfahrerin, der Computerspezialist und der, der die Waffen besorgt – macht sich an die Arbeit.
»Verbrannte Erde« ist nach »Im Schatten« (2010) der zweite Teil der von Thomas Arslan geplanten »Trojan-Trilogie«, und er trägt diesen Titel nicht umsonst. Man ahnt das rasch und folgt dennoch gebannt dieser mit meisterlicher Zurückhaltung in Szene gesetzten Schraubbewegung in den Abgrund. Die große Gabe des Autorenfilmers Arslan ist bekanntermaßen die Entschlackung, man könnte auch sagen: Ernüchterung. In jedem Falle die Reduktion der erzählerischen Mittel aufs Wesentliche und die der filmemacherischen aufs Notwendige. Das kommt insbesondere dem Genrefilm zugute, treibt sie diesem doch alles Sensationalistische, Ausbeuterische aus. Freilich kommt es auch im vorliegenden Fall zu Schlägerei und Schießerei, die Gewalt wird aber nicht hochgejazzt zum selbstzweckhaften Schauwert, sie ergibt sich vielmehr notwendig aus Charakter und Situation; wobei letztere immer gesellschaftlich zu denken ist.
»Verbrannte Erde« ist nicht nur die ökonomische Erzählung eines Verbrechens, sondern auch eine Erzählung über die Ökonomie der verbrecherischen Existenz. Trojan, Berufskrimineller alter Schule, findet sich wieder in einer Welt, in der Ganovenehre nur ein Wort aus grauer Vorzeit ist. Was sich zu Beginn bereits abgezeichnet hatte – der Zerfall eines (a)sozialen Zusammenhalts –, bestätigt sich in der Verkündung des Strippenziehers: »Ich will das Gemälde, und ich werde die Scheißer nicht bezahlen.« Sein Mann fürs Grobe, Victor, soll sich gefälligst etwas einfallen lassen. Alexander Fehling verkörpert diesen Victor mit Gusto am Bösen, er treibt seine Figur auf die Spitze und gerade eben so an der Charge vorbei. Das Moral- und das Skrupellose hat keine Dimension außer der tödlichen.
Demgegenüber vier Ganoven, deren Professionalität nicht zuletzt in ihrer Verlässlichkeit gründet. Im Zentrum Mišel Maticevic als Trojan, ein Schauspieler, der eine über die Jahre facettenreich ausgestaltete Unterwelt-Persona in seine Rolle einbringt. Wir wissen, dass die stoische Ruhe, die Maticevic seine Figur ausstrahlen lässt, in Zehntelsekunden umschlagen kann in Gewalt vom Kaliber »Da wächst kein Gras mehr«. Umso faszinierender ist es, wenn sich ein solcher Mann mit dem Rücken an der Wand wiederfindet. In die Enge getrieben nicht von der (gegnerischen) staatlichen Ordnung, sondern vom (eigenen) kriminellen System. Derart verschwommen ist mittlerweile die Trennlinie, dass selbst die Agentin der Kultur, die Anwältin des Museums, das das Gemälde zurückzukaufen versucht, ihr eigenes Spiel zu spielen beginnt. Gelegenheit macht Diebe.
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