12/2009
In diesem Heft
Filmkritik
Ein linkischer Kneipier und ein genialischer Koch verwandeln eine bankrotte Spelunke im Hamburger Stadtviertel Wilhelmsburg in einen kulinarischen Szene-Treff – womit die Probleme erst richtig losgehen. Fatih Akins Hamburger Kiez-Komödie »Soul Kitchen« besticht durch Gespür für komödiantisches Timing, originelle Charaktere und ein bestens aufgelegtes Ensemble, darunter Moritz und Monica Bleibtreu
Beliebig wie der Titel, der an den Vorgänger »Anything Else« erinnert, werden die Paare in »Whatever Works« von der Regie durcheinandergewirbelt, um sich ganz neu aufzustellen. Dagegen ist nichts zu sagen, nur Woody Allens neuer Hauptdarsteller, der Komiker Larry David, drängelt sich zu oft und zu aufdringlich vor die Kamera – erst im zweiten Teil zieht die Komödie richtig an: Dank an die Frauen
Eine Prinzessinnengeschichte aus New Orleans als moderne Variante des Märchens vom Froschkönig: »Küss den Frosch«, Disneys Rückkehr zum traditionellen Zeichentrickfilm, erweist sich als gelungen, weil sie modern, aber nicht modernistisch ist und damit den Spagat zwischen Tradition und Moderne schafft
Günter Wallraff schminkt sich schwarz, setzt eine Perücke auf und beweist, dass Fremdenfeindlichkeit in Deutschland zum Alltag gehört. Doch seine Erkenntnissiege sind leicht errungen
Roberts Zemeckis 3D-Variante des Dickens-Klassikers besitzt einerseits den Charme eines liebevoll gestalteten, »aufklappbaren« alten Kinderbuchs und andererseits den Reiz einer actionreichen Fahrt in der Geisterbahn. »Disneys: Eine Weihnachts-Geschichte « ist gute Familienunterhaltung, wie man so sagt
Ein wilder neunjähriger Junge trifft auf einer imaginierten Insel auf furchterregende, zottelige Monster, die er mit festem Blick und einer Lüge zähmt. Als ihr König zieht er mit ihnen randalierend durch die Wälder. Dabei gehen Kreativität und Destruktivität Hand in Hand. Spike Jonze schafft mit der Adaption des Kinderbuchklassikers ein rauschhaftes Opus, das mitreißend und anrührend von den Höhen und Abgründen des Kindseins erzählt
Der amerikanische Historiker und Psychiater Robert Jay Lifton hat deutsche Ärzte befragt, die in Vernichtungslagern Häftlinge getötet haben. In dem eindrucksvollen Interview-Film »Wenn Ärzte töten« von Hannes Karnick und Wolfgang Richter berichtet er eindringlich und genau von seinen Forschungen
Wenig Pathos, skeptische Untertöne, und dennoch eine Verneigung vor dem »Genie der Menschlichkeit«. Gavin Millars Biopic »Albert Schweitzer« ist zwar filmisch konventionell und allzu routiniert erzählt, erliegt jedoch nicht der Versuchung eines platten Weihnachtswohlgefühls
Als Martin Suters gleichnamiger Roman 2004 erschien, befanden Rezensenten, dass dieser »Satire auf den Literaturbetrieb« die satirische Schärfe fehle, dass sie gerade mal »hübsch und nett« sei. Gerade so wäre auch Alain Gsponers Verfilmung des Romans zu charakterisieren. Die Geschichte verstolpert sich in boulevardeskem Slapstick, wird aber immerhin durch das Darsteller-Trio – Daniel Brühl, Hannah Herzsprung, Henry Hübchen – mit komödiantischem Charme versehen
Was tun, wenn man abstehende Ohren hat und das einzige heiratsfähige Mädchen weit und breit in der kasachischen Steppe statt eines Bräutigams lieber ein Studium in der Stadt will? »Tulpan« ist ein neuer »Jurtenfilm« über die Sturheit eines Landstrichs und seiner Bewohner von Dokfilmer Sergey Dvortsevoy
Die Dokumentaristen Eduard Erne und Christian Schneider spüren den Spuren der »Napola«-Erziehungsanstalten nach, in den Biografien der ehemaligen Schüler, aber auch im Leben ihrer Kinder. »Herrenkinder« mit dem hochinteressanten Thema Erziehung und psychische Deformation wird durch ästhetische Mätzchen etwas verwässert
Eine Videokamera soll die dämonischen Kräfte bannen, die einem jungen Paar den Schlaf rauben. Für ein Butterbrot und in nur sieben Tagen mit Laien gedreht, verbreitete »Paranormal Activity« als Graswurzelvariante des Horrorfilms unter einem dankbaren Publikum in Nordamerika bereits Angst und Schrecken. Handgemacht bedeutet allerdings noch nicht ehrliches Handwerk
Die Verfilmung der auch in Buchform veröffentlichten Kolumne des »Los-Angeles-Times«-Autors Steve Lopez erzählt weitgehend authentisch und mit zwei brillanten Hauptdarstellern – Robert Downey Jr. und Jamie Foxx – von der Freundschaft eines desillusionierten Journalisten und eines schizophrenen Obdachlosen mit einer außergewöhnlichen musikalischen Begabung: »Der Solist«
Eine frischgebackene Westberlinerin verliebt sich in einen Ostberliner. Der Zeitpunkt dafür ist gut gewählt: November 89. Noch kann man sich über die bizarre DDR lustig machen, rechtzeitig fürs Happy End fällt dann die Mauer. Leider wirken viele Scherze einfach alt
Zu Songs wie »I Fought the Law« von The Clash und mit Sprüchen wie »Aber De Luxe!« auf den Lippen schickt Sven Taddicken die Mannen um Klaus Störtebeker und Gödeke Michels in den Kampf gegen die Hanse – »12 Meter ohne Kopf« ist historisch nicht ganz akkurat, aber dafür unterhaltsam
Sensibel geführte Gespräche fügen sich in Popp und Bergmanns Dokumentarfilm »Mazel Tov« zu einem beeindruckenden Stück jüdischer Erinnerungskultur
Welt unter. Schon wieder. Dieses Mal schichtet Roland Emmerich die Kontinentalplatten um und liefert die Bilder zum Katastrophenkapitalismus. »Independence Day« sieht nach dem »2012«-Ride viel smarter aus
Kein Remake, sondern eine turbulente Neuerfindung des Siebziger-Jahre-Klassikers »Lena Braake«, weist diese galgenhumorige Seniorenkomödie »Dinosaurier« mehr gute als schlechte Witze auf
Die neuseeländische Regisseurin zelebriert die zarte Liebe zwischen der 17-jährigen Schneiderin Fanny Brawne und dem 23-jährigen Dichter John Keats wie ein romantisches Sonett: In einer sehr verhaltenen Erzählweise schwelgt sie in stimmungsvollen Aufnahmen und exquisiter Ausstattung
Routinierte Verfilmung des Jugendbuchs »Das Orangenmädchen« von Jostein Gaarder, deren Märchenerzählung ein wenig zu golden glänzt
Das Mittelalter, wie wir es aus etlichen Filmen kennen: grobe Germanen in härenen Gewändern mit fettigem Langhaar, intrigante Römer in eleganten Stoffen vor edlem Marmor, dazwischen Johanna, die als Johannes Karriere macht. Handwerklich biedere und uninspirierte Bestsellerverfilmung
Eine solide Zombiekomödie um eine Gruppe Überlebender, die nach einer weltweiten Epidemie zu einem »unverseuchten« Vergnügungspark an der Westküste der USA aufbricht. Die Mischung aus Teenagerkomödie und John Carpenter-B-Movie funktioniert in »Zombieland« über weite Strecken überraschend gut