Kritik zu Zombieland
Apokalypse überall: Im jüngsten Überraschungshit aus den USA streifen Woody Harrelson und Jerry Eisenberg durch ein Land, dessen Bevölkerung durch Rinderwahnsinn in Zombies verwandelt wurde
Seit George Romero vor vierzig Jahren mit »Die Nacht der lebenden Toten« den modernen Zombiefilm erfand, hat das Genre sein eigenes Regelwerk ausgearbeitet. Wobei das früher gültige »Zombies tötet man mit einem gezielten Kopfschuss« heute nur noch selten Gültigkeit besitzt. Mit den Handfeuerwaffen des 21. Jahrhunderts kann es kein noch so untoter Zombie mehr aufnehmen. Außerdem hat die Zombiekomödie in den letzten Jahren ein ganz neues Arsenal an Waffen salonfähig gemacht: praktische Gebrauchsgegenstände wie Rasenmäher (»Braindead«) und die gute alte Vinylschallplatte (»Shaun of the Dead«) zum Beispiel.
Ruben Fleischers jüngster Beitrag zum Genre namens »Zombieland« ergänzt nun das Regelwerk um ein ein paar nützliche Überlebenstipps: »Vermeide öffentliche Toiletten.« »Überprüfe, bevor Du losfährst, immer den Rücksitz.« Oder: »Spiele niemals den Helden.« Letzteres ist das Motto des jungen Columbus, einer der wenigen Überlebenden einer globalen Epidemie, die die Menschheit in willenlose Kannibalen verwandelt hat. Columbus' Regeln sind die eines zwanghaften Neurotikers – eine Rolle, die Jungschauspieler Jesse Eisenberg ganz trefflich ausfüllt. Dass ausgerechnet einer wie er den Ansturm der Untoten überlebt hat, ist im Grunde ganz einfach. Für ihn als notorisch misstrauischen Einzelgänger ist seine Welt, solange er sich erinnern kann, mit Zombies bevölkert gewesen. Es bedurfte nur geringfügiger Anpassungen.
Den »teenage angst«-Subtext seines Films hat sich Fleischer von der Highschoolkomödie geliehen. Vorwand genug für einen unterhaltsamen Streifzug durch die merkwürdigen Gepflogenheiten der amerikanischen Pop- und Trashkultur, angereichert mit einer postapokalyptischen Note. In dieser neuen Welt ist der Twinkie – ein fettgetränkter, hochgradig zuckerhaltiger Minikuchen von angeblich nahezu unbegrenzter Haltbarkeit – zu einem raren Gut geworden, eines, für das man auch schon mal ein paar Zombies über den Haufen schießt. Und die Projektion aller Hoffnungen, bei Romero noch eine einsame Südseeinsel, ist in »Zombieland« – ein Vergnügungspark. Um an diesen sagenumwobenen Ort zu gelangen, muss man allerdings erst einmal die Vereinigten Staaten von »Zombieland« der gesamten Breite nach durchqueren. Zur Seite stehen Columbus dabei Tallahassee (Woody Harrelson) und die Halbschwestern Wichita und Little Rock, die sich mit Trickbetrügereien über Wasser halten.
Dass die Zombiekomödie in den letzten Jahren etwas auf den Hund gekommen ist, bekam auch schon Robert Rodriguez mit seiner Grindhouse-Hommage »Planet Terror« zu spüren. Außer Gründervater Romero scheint sich niemand mehr so recht für das kritische Potenzial des Genres zu interessieren, und die Verbindung von Splatter und Humor ist längst kein Privileg des Zombiefilms mehr. Fleischer versucht, das Genre mit einem kleinen Potpourri aus reichlich disparaten Elementen zu beleben. Im Grunde wirkt sein Film wie ein überlanger Sketch aus »Saturday Night Life«, was nicht zuletzt daran liegen mag, dass Bill Murray einen Kurzauftritt hat. Schon Murrays letzte Rollen hatten ja immer auch etwas Zombieskes. In »Zombieland« spielt er sich selbst. Ein »Survivor«, der sich, als Zombie geschminkt, in seinem Hollywood-Domizil vor den Horden der Untoten verschanzt. Abstruse Ideen wie diese unterscheiden »Zombieland« vom Gros der aktuellen Zombiefilme; Orignalität ist weniger gefragt als ein fundiertes Referenzsystem, in das die Genretraditionen passfertig eingefügt werden. Dazu gehört auch der »Zombiekill der Woche« – solche narrativen Gimmicks hebeln immer wieder die erlebte Filmzeit aus.
Eisenbergs neurotische Off-Erzählung sorgt dafür, dass »Zombieland« sich nie in den Niederungen eines verfilmten Ballerspiels verliert. Den Part übernimmt Harrelson, und er erledigt den Job mit der Ernsthaftigkeit eines John-Carpenter-Helden aus den achtziger Jahren. Bezeichnenderweise ist es dann auch nicht der »final killshot«, mit dem Fleischers Film endet. Sondern ein unschuldiger Teenagerkuss vor den blinkenden Attraktionen eines Freizeitparks.
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