Kritik zu 2012
Roland Emmerich hat's wieder getan. Dieses Mal aber richtig: Wenn der Master of Disaster in »2012« mit der Erde fertig ist, liegt der Südpol in Wisconsin
Von allen Hollywoodgenres hat der Katastrophenfilm am wenigsten Vernünftiges über die Welt zu sagen. Für den Schrecken, den er auf die Leinwand zaubert, kann man in der Regel niemanden haftbar machen; mit Eisbergen und Vulkanen lässt sich nicht verhandeln. Sagen wir mal: der Katastrophenfilm ist weniger diskurs- als affektorientiert.
Wenn er nicht gleich zwischen die Beine zielt. Für das, was Hollywoods führender Abrissunternehmer, was Roland Emmerich so treibt, haben die Amerikaner jedenfalls den Begriff disaster porn reserviert. Wie im Porno wissen wir hier genau, für welche Einstellungen wir bezahlt haben. Und wie im Porno wird nicht viel Mühe darauf verwendet, den Kram dazwischen zu bearbeiten. Es kann seinen Reiz haben, wenn der Katastrophenfilm die Kindersicherung ausschaltet, die Symbole der Macht zusammenkrachen und Pop-Mythen verdampfen lässt. Aber im Vergleich mit Emmerichs »Independence Day«, der noch eine lustvolle Häme über die Rampe brachte, wirkt »2012« schwerfällig und deprimierend.
Eine rare Planetenkonstellation, eine Sonneneruption und eine esoterische Hintergrundstrahlung – die Maya, die Hopi und die Bloggerszene wussten es schon lange – bringen die Geschichte in Gang und die Kontinentalplatten ins Rutschen. Die Hölle tut sich nach zwanzig Minuten in einem Supermarkt im kalifornischen Pasadena auf, dann geht es zügig weiter: Erdbeben – exit Los Angeles –, Vulkanausbrüche – tschüs, Yellowstone –, Flutwellen – schade um Japan. In dieser knarzenden, sprotzelnden Filmlandschaft wird ein Ensemble von toll ausgedachten Figuren herumgeschoben, darunter der erfolglose Autor eines Endzeit-Romans, ein schwarzer Wissenschaftler, ein zwielichtiger russischer Superreicher und ein Schönheitschirurg. Die Bahn fällt, typisch, sofort aus, aber es steht immer irgendwo eine schicke Limousine oder ein Jet herum. Und so kommen unsere Helden zum Finish in den Himalaya, wo sich die würdigsten, sprich: reichsten Vertreter der Spezies Mensch um ein paar heimlich zusammengeschweißte High-Tech-Archen versammeln.
Die money shots des Films, die Spektakelszenen, sind zwar nicht wirklich originell, sehen aber meist eindrucksvoll aus. Wie L.A. buchstäblich zusammengefaltet wird – das ist schon energisch gemacht: Apocalypse, wow! Aber was aus dem geöffneten Schlund der Erde heraufdampft, ist ein fürchterlicher ideologischer Mief. Da ist das Bild der »Süntflut«, die den menschengemachten Murks wegspült und uns die Gelegenheit gibt, in einer bereinigten Welt neu anzufangen, ohne Schurkenstaaten, Russenmafia und Schönheitsoperationen. Da ist der Vorgang der Triage – wer darf in die rettenden Archen? –, den der Film mit einer gruseligen Insistenz auswalzt. Und da sind die Doubles realexistierender Polit-Celebrities, die vielleicht komisch wirken sollen, deren Anwesenheit aber ziemlich klar macht, auf welches gesellschaftliche Szenario die Katastrophenmetapher hier hinausläuft: Dass nämlich in dem globalen Umwälzungsprozess, der uns jetzt bevorsteht, die meisten auf der Strecke bleiben werden, sorry, geht grad nicht anders. Und das ist obszöner, als jeder Pornofilm es sein könnte.
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