Apple TV+: »Tetris«
Es gibt vielleicht eine Handvoll Video. und Computerspiele, die praktisch jeder kennt, selbst wenn man das Spiel nie gespielt hat. »Pac Man« natürlich, »Super Mario«, »Tomb Raider« (Lara Croft) und vielleicht noch »Donkey Kong«. Und dann ist da »Tetris«, das sich in den 1980er und -90er Jahren vom Spiel zum Phänomen entwickelte. Bis heute kann das puzzleartige Geschicklichkeitsspiel selbst strengste Gaming-Verächter in die Sucht treiben.
Was kaum jemand weiß: Tetris wurde nicht in den großen Gaming-Nationen Japan oder USA erfunden, sondern in der Sowjetunion. Der Programmierer Alexey Pajitnov entwickelte das Spiel 1984 als eine Art Nebenprodukt an der Moskauer Akademie der Wissenschaften. Obwohl es in der Sowjetunion damals keinen offiziellen Markt für derlei Technologie gab, avancierte das Spiel durch die Verbreitung auf Floppy Disks zum absoluten Renner.
Womit wir bei dem Film »Tetris« wären, der nach dieser pointiert erzählten Vorgeschichte die wendungsreichen Versuche amerikanischer und japanischer Techfirmen schildert, sich die diversen Vermarktungsrechte für das Spiel zu sichern. Im Mittelpunkt steht dabei der in New York aufgewachsene und in Japan lebende Henk Rogers, ein agiler, aber wenig erfolgreicher Entrepreneur in Sachen Computerspiele. Er wird Ende der Achtzigerjahre auf »Tetris« aufmerksam und erkennt sofort dessen gewaltiges Potenzial. Taron Egerton (»Kingsman«, »Rocketman«) spielt diesen Mann als unermüdliches Stehaufmännchen. Sein Henk Rogers ist ein Unternehmer ohne Kapital und Connections, aber mit dem Mut der Verzweiflung, es mit übermächtigen Gegnern aufzunehmen, weil er weiß, dass dieser Deal seine letzte Chance ist.
Man könnte spotten, dass es mal wieder typisch ist, bei einer im Kern russischen Geschichte einen Westler zum Helden zu machen, doch geht es in »Tetris« gerade auch um das Aufeinanderprallen von Kapitalismus und Kommunismus, von amerikanisch geprägter Can-do-Mentalität, die an sowjetischer Strenge zu scheitern droht, hier verkörpert von Bürokraten unterschiedlicher Hierarchien, die wiederum ganz eigene Interessen bei den Lizenzgeschäften verfolgen. Ebenfalls am Verhandlungstisch sitzen ein halbseidener Londoner Milliardär, von Roger Allam als maliziöser Strippenzieher gespielt, und ein von Toby Jones verkörperter Software-Mittelständler, eine eigentlich tragische Gestalt, die zwischen alle Fronten gerät.
Leider konzentriert sich der Film nicht auf ein Auserzählen dieser Figuren, sondern versucht, jeden Winkelzug der rivalisierenden Parteien sowie deren vertraglichen Konflikte mit Dritten, darunter Nintendo, nachzuerzählen. Statt die Spannung zu steigern, führt das zu einem verwirrenden Durcheinander, bei dem es in gefühlt endlosen Dialogen um die Unterschiede zwischen Konsolenspiel-Rechten, PC-Rechten und Gameboy-Rechten geht. Aus der Konfrontation von höchst unterschiedlichen Ideologien, Mentalitäten und Charakteren wird ein Lehrgang in Sachen Rechteverwertung.
In den stärksten Momenten funktioniert »Tetris« als Farce über Geldgier, Macht und ideologische Heuchelei. So recht traut Regisseur Jon S. Baird (»Stan & Ollie«) diesem Tonfall aber nicht und inszeniert die Geschichte mal als Komödie, mal als ernsthaftes Drama. Das nimmt der Erzählung Schwung und Schärfe – wobei man ohnehin den Eindruck gewinnt, dass die ganze Sache in der Realität eher bürokratisch als dramatisch ablief.
Wohl deshalb baut das Drehbuch noch einen Ehekonflikt Rogers' sowie eine angedeutete Liebesgeschichte ein, erfindet einen Machtkampf der russischen Verhandlungspartner und lässt das Ganze in eine alberne Verfolgungsjagd zum Moskauer Flughafen münden. Tatsächliche Konflikte wie der staatliche Druck auf den »Tetris«-Erfinder Pajitnov werden dagegen mit oberflächlicher Beiläufigkeit abgehandelt. Insgesamt bleibt der Eindruck eines Films, bei dem – um im Sprachbild zu bleiben – die Einzelteile etwas planlos zusammengesetzt wurden. Und am Ende fällt doch alles in sich zusammen.
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