Akademiegespräch »Content versus Film«
Pariser Platz, Akademie der Künste. Foto: Erik-Jan Ouwerkerk
Es hat inzwischen Tradition, das alljährliche Filmgespräch, wenige Tage vor Beginn der Berlinale, zu dem die Berliner Akademie der Künste an den Pariser Platz einlädt. Thema ist dabei der gegenwärtige Zustand des deutschen Films
»Content versus Film« lautete die Fragestellung in diesem Jahr: Was macht gute Filme aus? Wann entstand und woher kommt die Haltung, den Content eines Films über seine ästhetische Form zu stellen? Wo bleibt die Wertschätzung für Filmkunst als eine Komposition von Bildern, Farben, Klängen?
Gäste waren in diesem Jahr der Regisseur Dominik Graf, der Dokumentarist Thomas Heise, auch Direktor der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste, mit seinem letzten Film »Heimat ist ein Raum aus Zeit« 2019 bei der Berlinale vertreten, die Dokumentarfilmregisseuren Carolin Schmitz (deren »Mutter« im vergangenen Jahr in den Kinos lief) sowie die Filmregisseurin Jeanine Meerapfel als Präsidentin der Akademie der Künste. Die Schauspielerin und Regisseurin Nicolette Krebitz hatte wegen einer Covid-Erkrankung absagen müssen. Die Moderation hatte Andreas Kilb, Redakteur der FAZ. Er stellte eingangs die Frage, inwieweit der Rückgang der Zuschauerzahlen in den Kinos nicht nur mit der Pandemie-Pause, sondern auch etwas mit dem Erstarken der Streamingdienste in dieser Zeit zu tun habe, deren Geschäftsmodell fortwährend nach »content« verlange.
Dominik Graf, dessen jüngster Film »Jeder schreibt für sich allein«, ein 167minütiger Essay über Schriftsteller im Dritten Reich, von der Berlinale abgelehnt wurde und der fünf Tage später seine Premiere im Rahmen der parallel stattfindenden »Woche der Kritik« erlebte, eröffnete die Diskussion mit einem Statement, das mit von ihm gewohnter Polemik und Zuspitzung arbeitete (nachzulesen auf artechock.de). »'Content' beschreibt eine Perspektive auf den Film, die den Film selbst nun ganz und gar nicht meint, sondern sie meint das, was zum User delivered werden soll... eine tote Konzeptmasse, mit der man den Geldgeber:Innen und später den Zuschauern imponieren kann.« Film dagegen ist nicht Inhalt-Transfer sondern geformte Erzählung. Nicht Look sondern Ästhetik... eine lebendige Struktur ...das Drehbuch ein Entwurf, eine Guideline für die Regie, jederzeit variierbar, slalomartig umspielbar.«
Nach diesem vielversprechenden Auftakt war das nachfolgende Gespräch leider ein wenig unfokussiert. Thomas Heise berichtete unterhaltsam, wenn auch eher anekdotenhaft, von seinen höchst unterschiedlichen, positiven wie negativen, Erfahrungen an der Filmhochschule zu DDR-Zeiten und mit Fernsehanstalten sowie anderen Geldgebern nach 1989, ebenso wie mit Berlinale-Erfahrungen, während Carolin Schmitz vermerkte, dass bei der Rohschnittabnahme von Seiten der Sendeanstalten oft bemängelt werde, es fehle an Führung und Orientierung für den Zuschauer – »dem Zuschauer soll alles erklärt werden.«
Andreas Kilbs Frage, ob man es bei der Neuverfilmung von Erich Maria Remarques »Im Westen nichts Neues«, einer Produktion von Netflix, inszeniert von Edward Berger, die bei der kommenden Oscar-Verleihung in mehreren Kategorien, auch in der Königskategorie »Bester Film« nominiert ist (und mittlerweile schon bei den britischen BAFTA-Awards mit sieben Preisen, auch als »Bester Film«, abräumte), um 'content' oder aber um einen Autorenfilm handele, wurde kontrovers beantwortet: während Graf ihn »sehr beeindruckend« fand, kritisierte Heise: »die Anstrengung, das Bemühen ist zu sehen«; Carolin Schmitz hatte ihn nicht gesehen.
Auch auf Kilbs Frage, ob die Freiheiten heute größer geworden seien, gab es keine eindeutige Antwort, aus dem Publikum meldete sich der Filmemacher Dominik Reding zu Wort, der sagte, nach zwei Filmen (1999 und 2007) hätten die Fernsehanstalten das Interesse verloren, immerhin könne er sich darüber freuen, dass sein (viel gelobtes) Debüt »Oi! Warning« jetzt auf Netflix verfügbar sei.
Die immer wieder aufgeworfene Frage nach der Wichtigkeit von wirtschaftlicher versus kultureller Filmförderung beantworte Jeanine Meerapfel zum Abschluss mit dem Statement: »Kulturelle Filmförderung ist die einzige, die wir brauchen.«
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