Netflix: »Blond«

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Sehnsucht nach Daddy

Ein Missverständnis muss man gleich zu Beginn aus dem Weg räumen: »Blonde« ist kein Biopic, das die Lebenswahrheiten der »Norma Jeane Mortenson« auf die Leinwand bringen will, sondern die Adaption einer Fiktion. Andrew Dominik verfilmte den 700-seitigen Roman von Joyce Carol Oates von 2000, den die amerikanische Schriftstellerin selbst explizit als Fiktion und nicht als Biografie verstanden wissen wollte. Der Abgleich der in »Blonde« dargestellten Sachverhalte mit den Daten des realen Lebens läuft also zwangsläufig ins Leere – obwohl natürlich sowohl Oates als auch jetzt Dominik mit ihren Werken durchaus etwas Wahres über Marilyn Monroe und ihre Karriere enthüllen wollen. Nur eben nicht auf der vermeintlich oberflächlichen Linie der Fakten und Recherchen.

Stattdessen schlägt Dominiks Adaption den Weg der absoluten Einfühlung in seine Heldin ein. Von den ersten Kindheitsszenen an, in denen man die kleine Norma Jeane unter einer neurotischen Mutter (Julianne Nicholson) leiden sieht, zieht der Film sein Publikum ganz auf die Seite ihres fortdauernden Traumas. Von der Mutter fast in der Badewanne ertränkt, dann ins Waisenhaus abgeschoben, früh als Pin-up-Girl ausgebeutet und bald schon auf der Casting-Couch missbraucht, erstammelt sich Norma Jeane (Ana de Armas) einen Hollywoodstudio-Vertrag. In Dominiks Darstellung ist es kein Ehrgeiz, der die junge Frau voranbringt, sondern ein böses Schicksal, das ihr die Dinge zustößen lässt. Der Erfolg als »Sexpot« mit »Niagara«, als Comedienne in »Blondinen bevorzugt«, als Objekt der Begierde in »Das verflixte 7. Jahr« – jeder dieser Triumphe ist für die Frau im Zentrum mit neuen Kränkungen und Schmerzen verbunden. Der Weg nach »oben« bis hin ins Weiße Haus zu Präsident Kennedy erweist sich als Abstieg in immer schlimmere Kreise der Hölle, die die Figur im Zentrum nur durch mehr und mehr Betäubung ertragen kann.

Als Interpretation einer Hollywoodkarriere hat das etwas Exzesshaftes, Überdramatisches, das im Ton tatsächlich eher an Filme der 50er Jahre erinnert als an moderne Biopics. Ana de Armas imitiert überzeugend, wenn auch etwas monoton, den kindlich-atemlosen Modus, den Marilyn für ihre Auftritte als »dummes Blondchen« kultivierte. Im Film gibt es aber keine Stimme dahinter, keine »innere« Version einer Norma Jeane, die mit Kalkül oder Reflexion auf ihre Kreation der Marilyn schauen würde. Ana de Armas verkörpert glaubhaft die Marilyn, die wir kennen, und macht dahinter das unsichere, sich nach Schutz und Anerkennung sehnende Mädchen spürbar. Aber nie gibt es eine Entwicklung außer der, dass sie immer unglücklicher wird und immer mehr den Drogen verfällt.

Dominik stellt mit ihr im Zentrum viele der ikonographischen Posen und Szenen nach, die noch heute Teil des popkulturellen Gedächtnisses sind. Dabei arbeitet seine Art des »Reenactments« die Exploitation und den würdelosen Umgang mit ihr sehr deutlich heraus. Die Szene aus »Das verflixte 7. Jahr«, in dem Marilyns Filmfigur sich durch die Abluft aus dem U-Bahnschacht den Rock hochblasen lässt, wird man nie mehr unschuldig schauen können. Nicht aus den moralischen Gründen, die der Szene in den 50er Jahren den Hauch des Verklemmt-Skandalösen gaben, sondern weil Dominik die voyeuristische Ausbeutung dahinter sichtbar macht.

Als Hauptmotiv zieht sich Marilyns große Sehnsucht nach dem Vater, den sie nie gekannt hat, durch den Film. Ihre beiden Ehemänner nennt sie »Daddy«. Sie werden in vignettenhaften Auftritten großartig dargestellt, zum einen von Bobby Cannavale, der den Ex-Baseball-Star Joe DiMaggio mimt, und von Adrien Brody, der den väterlich-intellektuellen Arthur Miller verkörpert. Trotzdem bleibt »Blonde« immer auf der Seite seines nach außen so glamourösen und nach innen so zerrissenen Stars. Das macht den Film sehr berührend, auch wenn man sich als Zuschauer am Ende wünscht, man hätte Monroe nicht nur als Opfer erlebt, sondern auch ihre starken und kalkulierenden Seiten kennengelernt. 

Meinung zum Thema

Kommentare

Ein wirrer (und das nicht nur die unsinnige Kameraführung bzw. wechselndes Bildformat), entäuchender Film, den nur die Hauptdarstellerin rettet. JFK hat sie vergewaltigt? Die CIA hat sie entführt um bei ihr eine Abtreibung vorzunehmen? Sie ist nur zufällig, nicht durch eigenen Ehrgeiz oder einem IQ von 151,zum Star geworden? Plus Pyseudokünstlerichem Anspruch! Die 3 Stunden Lebenszeit habe ich unwiederbringlich vergeudet...

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