In a Lonely Place
Der Verdacht begleitet das Kino von seiner Geburt an: dass das, was auf der Leinwand zu sehen ist, irgendwie ansteckend sein könnte für die Zuschauer. Noch älter ist wahrscheinlich das Vorurteil gegen die Autoren: dass wer sich eine Mordgeschichte in allen Details ausdenkt, auch fähig wäre, selbst die Tat zu begehen. Die Vorstellung von Hollywood als Sündenpfuhl nährt sich so auch aus der imaginierten Nähe von Fantasie und Tat. Der von Humphrey Bogart gespielte Drehbuchautor in Nicholas Rays In a Lonely Place (Ein einsamer Ort) erscheint da als typischer Fall. Er trinkt, raucht und neigt zu abrupten Gewaltausbrüchen – Hollywood-Gebaren halt. Seine unmittelbare Umgebung verzeiht ihm, weil er anscheinend unschlagbar gut im Schreiben ist. Aber dann, als die junge Frau, die er am Vorabend mit nach Hause genommen hatte, ermordet im Gebüsch gefunden wird, wendet sich der Verdacht wie automatisch gegen ihn. Im Verhör bei der Polizei führt er vor, wie er die Mordszene schreiben würde, wenn er sie im Kino erzählen wollte – was ihn in den Augen des rechtschaffenen Polizeikommissars natürlich alles andere als entlastet. Und während sich der Zuschauer über solch kleinliches Misstrauen erhaben fühlt, weil er weiß, dass einer wie Humphrey Bogart doch kein Killer sein kann, macht der Film in der Perspektive von dessen Geliebter (Gloria Grahame) klar, dass er es eben doch sein könnte. Nicht wegen seiner kreativen Fantasie, sondern wegen seines gewalttätigen Temperaments. Erstaunlich, dass dem zwischendurch so nachsichtigen Film dafür am Ende dann doch die Entschuldigungen ausgehen. Nicht Hollywood ist der »einsame Ort« des Titels, sondern der Abgrund, in den sich Bogarts Figur in seinem Männlichkeitsverständnis hineinmanövriert.
Barbara Schweizerhof
USA 1950, Nicholas Ray, mit Humphrey Bogart, Gloria Grahame, Frank Lovejoy
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