Kritik zu Gods and Monsters
Bill Condons Hommage an den Frankenstein-Regisseur James Whale
James Whale, ein Engländer in Hollywood: Man könnte ihn den Oscar Wilde des Kinos nennen. Er ist vor allem bekannt als Regisseur von klassischen Universal-Horrorfilmen wie The Old Dark House, Frankenstein und Bride of Frankenstein. Aber Whale hat neben den legendären Gruselfilmen auch Journey's End gedreht, einen schmerzlichen Film mit einem zerrissenen Colin Clive, der auf R.C. Sheriffs berühmtem Bühnenstück über Kameraderie im Ersten Weltkrieg beruht, und er hat die ersten, selten gezeigten Versionen der Melodramen Waterloo Bridge und Showboat gedreht. Whales Themen sind Freundschaft und Tod, Sehnsucht und Verlust. Seine Karriere hat er an britischen Bühnen begonnen, sein Stil liegt in der gothic-Tradition begründet, seine Haltung ist dem camp verpflichtet, den einmal jemand definiert hat als zweite Kindheit oder als indirekten Sex. Witz, Charme und Eleganz durchziehen sein Werk.
In letzter Zeit hat man Whale wieder entdeckt. Gleich zwei Biografien sind erschienen: Mark Gatiss' knappes, präzises Buch "James Whale. A. Biography" (1995) und James Curtis' umfangreiches Werk "James Whale. A New World of Gods and Monsters" (1997). Die Whale-Renaissance ausgelöst hat aber eine Fiktion, eine Legende: Christopher Brams packender Whale-Roman "Father of Frankenstein" (1995), auf dem auch Condons Film basiert. Bram, ein großer Kinofan, schreibt ansonsten spannende, schwule Thriller, die im Militär-Milieu spielen.
Die Wiederentdeckung Whales ist größtenteils schwuler Filmgeschichtsschreibung zu verdanken. In Whale wird nicht nur die Tatsache gefeiert, dass er offen schwul war im Hollywood der dreißiger Jahre (sein langjähriger Lebensgefährte war der Produzent David Lewis), sondern auch eine homophile Sensibilität, die seit jeher eng verknüpft ist mit dem Kino. Whales schräges und menschliches Meisterwerk Bride of Frankenstein mit seinen herrlichen schwulen Typen, dem bisexuellen Trinker Colin Clive, der grandiosen Edeltunte Ernest Thesiger und der großen Lesbe Elsa Lanchester, erscheint in einem neuen Licht nach Brams Roman und Condons Film.
Gods and Monsters ist eine echte labour of love aller Beteiligten, was man in jeder liebevoll gestalteten Einstellung merken kann. Als Executive Producer fungiert Clive Barker, der heilige Sebastian an der Sadomaso-Horror-Poesie und jetzt schon lange ein Engländer in Hollywood. Die Hauptrolle spielt erstaunlich subtil Ian McKellen, englische Theaterdiva und Pate des gay cinema. Die melodramatische Musik schrieb Carter Burwell (Fargo, Velvet Goldmine). Und Regie führte Bill Condon, ein Cineast par excellence, der über das Kino (ein treffendes Shirley-MacLaine-Porträt in Danny Pearys Kultbuch "Close-ups") geschrieben, Drehbücher (Strange Invaders) verfasst und unterschätzte Genre-Perlen wie Sister, Sister inszeniert hat. Für sein Drehbuch zu Gods and Monsters erhielt Condon letztes Jahr einen Oscar. Sie alle dürfen sich auch als die Enkel von James Whale fühlen.
Die Geschichte von Göttern und Monstern beginnt im späten Frühling des Jahres 1957, als eigentlich alles schon zu Ende ist. Selten wurde der Geist der amerikanischen Fifties so genau getroffen wie in Condons Film. Die Zeit erscheint als ein Idyll des Vergessens. Ein Bewusstsein für Filmgeschichte gibt es noch nicht. In einer kleinen Villa am Rande Hollywoods lebt Whale, alt und gebrechlich nach einem Schlaganfall. Den Zenit seiner Filmkarriere, die hauptsächlich in den dreißiger Jahre stattfand, hat er längst überschritten. Umsorgt wird er von der deutschstämmigen Hanna, einer strengen, doch verständnisvollen Haushälterin, hinreißend gespielt von Lynn Redgrave. Eines Tages taucht in Whales Garten ein Adonis auf: Der junge Gelegenheitsarbeiter Clay Boone, verkörpert von Brandon Fraser (The Mummy, George of the Jungle), schneidet die Hecke mit freiem Oberkörper. Eine seltsam schöne Beziehung entsteht bald zwischen dem schwulen Gentleman mit Vergangenheit und dem heterosexuellen Drifter ohne Zukunft. Trotz heftiger Auseinandersetzungen entfaltet sich eine Freundschaft, eine Liebe vielleicht, zwischen den Männern, die beide aus der Arbeiterklasse stammen und beide lost generations angehören. Whale ist nämlich ein Veteran des Ersten Weltkriegs, Clay ein Ex-Marine, der in Korea aber nie zum Einsatz gekommen ist. Lost generation: das bedeutet auch, dass sie beide Suchende geblieben sind, Freaks, verloren im blühenden, synthetischen Amerika der fünfziger Jahre.
Alle möglichen Beziehungskonstellationen spielen sie durch: Whale gibt den Vater, Clay den Sohn (und die Haushälterin den heiligen Geist). Whale erinnert natürlich auch an die Norma Desmond von Gloria Swanson, mit Clay als William Holden und der Haushälterin als Erich von Stroheim. Vor allem aber agiert Whale noch einmal als Regisseur gegenüber dem schönen, formbaren Monster Clay ("clay" bedeutet im Englischen ja "Lehm, Ton"). Und als Schöpfer scheint er nur eines zu beabsichtigen: dass das Geschöpf über ihn verfüge.
Journey's End: Whale inszeniert mit dem unwissenden Clay seinen eigenen Tod. Noch einmal erlangt der Künstler seine Kraft zurück.
Es gibt komische Passagen in Gods and Monsters, etwa die Szene, in der Whale auf einer Hollywood-Party vor einem neidischen George Cukor mit dem muskulösen Clay protzt. Es gibt bizarre Visionen wie aus einem Whale-Film selbst, etwa die, in der Clay Whales altes, geschundenes Gehirn austauscht. Und es kommen wehmütige Momente vor: etwa die Traumsequenz, in der Clay, direkt an Karloffs Monster erinnernd, einen versehrten Whale zurückträgt in einen Schützengraben des Ersten Weltkriegs, in dem einst Whales Jugendliebe starb. Gods and Monsters ist ein schmerzlicher Trip durch eine surrealistische american beauty, die zwischen Kino und Wirklichkeit liegt, zwischen Erinnerung und Begehren.
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