Kritik zu Venom: Let There Be Carnage
Männerwirtschaft: Tom Hardy ist zurück als Wirtskörper für den etwas anderen Superhelden der Marvel-Welt
Eddie Brock (Tom Hardy) ist nicht gut drauf, seine große Liebe hat ihm das Herz gebrochen. Ein Blick in sein Appartement verdeutlicht sogleich, warum die smarte Anwältin Anne (Michelle Williams) ihm den Rücken kehrte. Eddies Wohnung, in der Hühner frei herumlaufen, ist versifft. Für eine Frau mutet diese Behausung nicht wirklich einladend an.
Der verkrachte Journalist lebt eben wie ein eingefleischter Junggeselle, der hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist. Er ist nämlich der Wirtskörper eines impulsiven außerirdischen Wesens. Der gezahnte Unhold hat einen unstillbaren Appetit auf menschliche Gehirne. Nein, um Horror geht es nicht. Der notorische Dauerkonflikt, in dem Eddie diesen gefräßigen Parasiten – der in emotionalen Stresssituationen regelmäßig Besitz von ihm ergreift – zu zähmen versucht, erinnert schon ein wenig an Freuds schwächliches Ich, das seine übermächtigen Triebe, das Es, im Zaum zu halten versucht.
Man kann es prosaischer ausdrücken: Es geht um ein Buddiemovie im Gewand eines spezialeffekt-lastigen Comicabenteuers. In der Fortsetzung der erfolgreichen Marvel-Adaption aus dem Jahr 2018 hat Eddie sich mit seinem widerspenstigen Symbionten arrangiert. Der notorische Zank zwischen beiden mutet eher an wie der Kleinkrieg, mit dem Tony Randall und Jack Klugman sich in der Serie »Männerwirtschaft« bekriegen.
Um in seinem Job als Journalist wieder Fuß zu fassen, interviewt Eddie den berüchtigten Serienmörder Cletus Kasady (Woody Harrelson). Das Treffen zwischen dem physisch agierenden Hardy und dem diabolisch grinsenden Harrelson, der einen Natural Born Killer 2.0 verkörpert, zählt zu den Highlights. Nicht zufällig wird bei dieser Begegnung, die einen homoerotischen Subtext hat, das in Eddies Körper nistende Alienwesen geklont. Auf diese Weise entsteht ein zweites Monster, gegen das Eddie alias Venom sich in einem endlosen Showdown aufreibt.
Überraschend ist jedoch der Rückblick in die Kindheit des Serienmörders, deren diabolische Bösartigkeit im Stil grellroter Cartoons illustriert wird. In dieser kurzen Backstory, die fast interessanter ist als der ganze Film, erzählt Cletus von seiner großen Liebe Frances (Naomie Harris). Sie ist ein Mutant mit einer ganz speziellen Fähigkeit: Ihr alles zersetzender Schrei, der dort beginnt, wo die auf der Schultafel quietschende Kreide aufhört, absorbiert selbst die Superkräfte der Alienwesen.
Aus dieser Frauenfigur, von der die ultimative Kastration ausgeht, macht der Film leider viel zu wenig. Nur in wenigen Szenen vermag Andy Serkis' uninspirierte Regie diesem Marvel-Abenteuer Leben einzuhauchen. So wird das Venom-Monster auf einer queeren Undergroundparty als Teilnehmer mit dem originellsten »Kostüm« gefeiert. Das Monster ist ein Symbol für das Andere in uns, klar. Die Botschaft wirkt ein bisschen aufgesetzt. Im Gegensatz zum Titel »Let there be Carnage« bleibt der Film doch etwas fleischlos.
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