Kritik zu Jersey Boys
Altmeister Clint Eastwood verfilmt das Musical um den Aufstieg der Popgruppe "Four Seasons". Vier Jungs aus New Jersey wollen wie Frank Sinatra den Sprung vom Klein-Mafioso zum Star der Radioshows und Plattenlabels schaffen
Als Clint Eastwood 1971 den Thriller Sadistico – Play Misty For Me inszenierte, um nicht auf die Rolle maulfauler Westerner und den stählernen Dirty Harry festgelegt zu bleiben, überraschte sein Regiedebüt mit einem groovenden Feeling für jazzige Radiomusik. Die Magie, mit der sich Entertainment aus der geschlossenen Zelle eines Studios oder eines Clubs heraus in ungeahnter Popularität verbreitet, faszinierte ihn auch in Bird, einem Biopic über die Jazz-Ikone Charlie Parker.
Jersey Boys, der jüngste Film des 1930 geborenen Seniors, kehrt zu seiner alten Liebe zurück. Auch diese Geschichte erzählt von den warmen Wellen, die Musik im Take-it-easy-Modus erzeugt, während sich die Helden an den Klippen des Showgeschäfts Schrammen holen. Die Lebensleistung des Schauspieler-Regisseurs Clint Eastwood hebt die Erwartung. Jersey Boys indes, seine späte Probe in Sachen Musical, rollt zwar mit der Präzision eines perfekten Ausstattungsstücks ab, unterliegt jedoch mechanisch und resigniert den Klischees seiner Vorlage.
In den 60er Jahren rissen die Four Seasons, eine Boygroup aus gescheitelten Anzugträgern mit Songs wie »Big Girls don’t cry«, »Can’t take my eyes off you«, »Walk like a man« u.v.m. die weiße Mittelklasse der USA von den Sitzen. Frankie Valli und drei seiner Kumpels aus den Vorstädten von Newark, New Jersey, packten wider den virilen Krach des Rock’n Roll den mehrstimmigen Falsett-gesang in fette Streicher- und Bläsersätze und brillierten mit akkuraten Step-Choreografien. Nach internen Streitigkeiten um 1990 nur noch einmal zur Feier ihrer Aufnahme in die Hall of Fame wiedervereint, schien die abgeschlossene Story ihres Aufstiegs ein guter Stoff fürs Recycling auf den Bühnen der Welt.
Clint Eastwoods Adaption des äußerst erfolgreichen Musicals folgt einer flotten Folge plakativer Szenen, die die Jugendträume und ersten Karriereversuche der vier Jungs aus New Jersey, ihre stereotypen Frauengeschichten und heftigen Backstage-Streitereien zu einem schlichten Stationendrama bündeln, dazwischen die großen Songs als dekorative Showeinlagen. Jersey Boys brilliert mit üppigem Zeitkolorit, pompösen Autos und durchgestylten Farben. Am schönsten die Szene, in der eine Kameradrohne das berühmte Brill Building am Broadway entlang aufwärts schwebt und in jeder Etage Popkünstler im Krach mit ihren Agenten einfängt.
Finden die Jungs aus New Jersey anfangs unter ihrem Bandleader Tommy DeVito (Vincent Piazza) zusammen, einem holzgeschnitzten Macho, so ruiniert sein mafiöses Finanzgebaren die Band auf ihrem Höhepunkt beinahe. Frankie Valli, Frontman der Four Seasons (John Lloyd Young, der 30 Jahre biografische Entwicklung mit einem Gesichtsausdruck zu bewältigen glaubt), mimt das moralische Herz des Films und übernimmt im Gefühl unverbrüchlicher Zusammengehörigkeit die Schulden für ihn. Christopher Walken als väterlicher Mafioso schmunzelt zu derlei Kitsch entspannt. Let’s dance, mehr kann man nicht erwarten.
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