Kritik zu Parfum des Lebens
Eine Parfümkreateurin und ihr gestresster Chauffeur werden zu ziemlich besten Freunden
Wie riecht es in einer Höhle mit prähistorischen Zeichnungen? Unter anderem nach Moos und einer Spur Iris, dekretiert Anne Walberg (Emmanuelle Devos) und hat auch gleich die wissenschaftlichen Bezeichnungen der Geruchsmoleküle parat. Den gleichen Geruch soll sie für eine als Touristenattraktion geplante Fake-Höhle kreieren. Ihr Fahrer Guillaume (Grégory Montel) ist von diesen und anderen bizarren Aufträgen bald ebenso fasziniert wie von seiner Kundin, obwohl Anne eine unglaubliche Nervensäge ist.
Wie im »Ziemlich beste Freunde«-Szenario müssen sich in dieser stillen Komödie zwei besonders disparate Sparringspartner zusammenraufen. Guillaume, ein professioneller Fahrer, steckt nach einer Scheidung tief in der Bredouille. Er kämpft um das Besuchsrecht für seine Tochter, braucht dazu aber eine größere Wohnung. Dabei kann er seinen Chef nur mit Mühe davon abbringen, ihn wegen diverser Überschreitungen zu feuern. Anne, schroff bis zum Autismus, ist eine gefallene Diva, die, einst eine der berühmtesten »Nasen« der Parfümbranche, nach dem zeitweiligen Verlust ihres Geruchssinns ziemlich unten angekommen ist. Statt Haute-Couture-Parfums zu kreieren, bekommt sie nun ein – erkleckliches – Honorar dafür, Düfte etwa zur Verdeckung von Industriemief zu entwickeln.
Obwohl sich die beiden anfangs nicht riechen können – schon weil Guillaume Kettenraucher ist –, bestellt sie ihn wiederholt als Fahrer bei ihren Aufträgen quer durch Frankreich. In einem von feinem Witz begleiteten Prozess des Gebens und Nehmens entwickeln die beiden so unterschiedlichen Charaktere Sympathie füreinander. Guillaume, ein offener, chaotischer Typ, der sich nicht an Regeln hält, sich in Schwierigkeiten hinein- und aus ihnen hinausmanövriert, erweist sich als perfekter Spießgeselle und Schutzengel für Anne, die ihre menschlichen Kontakte so weit wie möglich auf das Beschnuppern beschränkt. In gewisser Weise ist die sozial gehemmte und perfektionistische Frau, die sich animalisch witternd Orientierung verschafft, zu geradlinig für diese Welt.
Grégory Montel (»Call my Agent«) spielt mit Gusto einen umtriebigen Mann, dem es schwerfällt, seinen Platz zu finden. Emmanuelle Devos überzeugt erneut in der Rolle einer Frau, die in keine Schublade passt. Neben der psychologischen Tiefe dieser Porträts gefällt dieser kleine Film durch die Abwesenheit amouröser Verwicklungen und durch die handfeste Ernsthaftigkeit, mit der die Welt der Gerüche zum Thema wird. Wenn das Duo, er in Erinnerungen schwelgend, sie wissenschaftlich übersetzend, über Gerüche fachsimpelt, hat das auch metaphorische Bedeutung. Doch die filmische Aufforderung, vom Duftbäumchen bis zum frisch gemähten Rasen Gerüche und die damit assoziierten inneren Bilder zu beschreiben, die Erkenntnis, das neben Blütendüften immer ein dezenter Müll-Hautgout nötig ist, um etwa ein Parfüm wie Chanel Nr. 5 so verführerisch zu machen, ist für das Publikum gleichermaßen anregend.
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