Streaming-Tipp: »Wild Bill«
»Wild Bill« (Serie, 2019). © ZDF/Matt Frost
So richtig kann man es sich gar nicht mehr vorstellen, dass Rob Lowe vor circa 35 Jahren nach Filmen wie »St. Elmo's Fire« und »Masquerade« mal als nächster großer Leinwandstar gehandelt wurde. Denn statt eine Karriere wie sein »Die Outsider«-Kollege Tom Cruise hinzulegen, verschlug es Lowe recht bald Richtung Fernsehen. Und dort ist er nun seit zwanzig Jahren – siehe »The West Wing«, »Brothers & Sisters«, »Parks & Recreation« oder »Code Black«, um nur einige Serien zu nennen, in denen er langjährige Rollen spielte – derart fleißig, dass für Kino kaum noch Zeit ist.
Lowe nun in der Hauptrolle der Serie »Wild Bill« zu sehen, ist also ein vertrauter Anblick – und doch wieder nicht, denn statt in den heimischen USA ist er nun plötzlich in England im Einsatz. Als Police Chief Bill Hixon hat es ihn – natürlich nur bedingt freiwillig – gemeinsam mit dem pubertierenden Töchterchen Kelsey (Aloreia Spencer) vom sonnigen Miami aus ins trostlos- graue Örtchen Boston in Lincolnshire verschlagen, wo er nun als Chief Constable bei der örtlichen Polizei aufräumen soll. Und zwar was die Aufklärungsrate und veraltete Ermittlungsmethoden angeht ebenso wie hinsichtlich der hohen Personal- und sonstigen Kosten. Wie das juristisch überhaupt möglich ist, wird zwar mal in einem Halbsatz erklärt, muss man als Zuschauer aber letztlich ebenso schlucken wie die Tatsache, dass das britische Boston gleichzeitig ein verschlafenes Nest und trotzdem die Kriminalitätshochburg zu sein scheint.
Solcherlei Unglaubwürdigkeiten hinzunehmen, wäre letztlich kein Problem, würden sich die Autoren der sechs Folgen an anderen Stellen mehr Mühe geben. Doch die Dialoge kommen über das Niveau deutscher Vorabendserien leider nie hinaus, Anspielungen an relevante Themen wie den Brexit oder Arbeitslosigkeit bleiben unausgegoren und die Fälle, die es Woche für Woche zu lösen gilt, sind zwar oft gehörig brutal, kommen in der Umsetzung aber bedauerlich banal daher. Überhaupt diese Fälle! Statt auf das zwar nicht originelle, aber doch humoristisch zumindest ergiebige Culture-Clash-Potenzial der Prämisse »hochnäsiger Ami versteht englische Miesepeter-Ironie nicht« zu setzen, nimmt sich »Wild Bill« viel zu oft viel zu ernst.
Was bleibt, ist eine halbherzige Krimikomödie, die sowohl beim Witz wie auch bei der Spannung weit unter ihren Möglichkeiten bleibt. Und unter denen ihres Hauptdarstellers, der hier einfach fehl am Platz ist (bestes Ensemblemitglied: Bronwyn James aus »Harlots« als patente Polizei-Anfängerin). Schade fürs Publikum, aber Lowe selbst wird's verkraften. Bestand haben wird sein UK-Aufenthalt so oder so nicht, eine Fortsetzung von »Wild Bill« ist nicht geplant. Umso besser, dass er den nächsten Serien-Job längst angetreten hat: Seit Anfang des Jahres ist der ewig junge 56-jährige als Feuerwehrchef in »9-1-1: Lone Star« im Einsatz (hierzulande bei Sky One zu sehen), eine zweite Staffel ist beschlossene Sache.
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