Kritik zu Frances Ha
Wer hätte nach dem doch eher bitter grundierten »Greenberg« gedacht, dass Noah Baumbachs nächster Film so leicht, so tänzerisch würde? Greta Gerwig spielt die sympathisch verschrobene Titelfigur
Sie versuche, ihr Leben »proaktiv« anzugehen, erklärt Frances einmal, und diese Vokabel ist so hohl wie die ganze Behauptung haltlos. »Ich bin noch keine vollwertige Person«, trifft ihr Lebensgefühl eher. Mit Ende zwanzig ist sie nicht mehr jugendlich, aber alles andere als erwachsen; irgendwo in jenem seltsamen Zwischenreich scheint sie sich verirrt zu haben. Und sie ist für ihr Alter schon ziemlich verschroben. Dabei zählt sie zu den hippen, gebildeten New Yorkern, denen alle Türen offenstehen – wenn sie nicht ständig über die eigenen Füße stolpern. Während ihr Umfeld größtenteils ein festes Einkommen und jede Menge Pläne und Ziele hat, kreist Frances vor allem um sich selbst. Eine Beziehung zerbricht geräuschlos, als ihr Freund mit ihr zusammenziehen will, als Tänzerin ist sie alles andere als erfolgreich, und dann zieht auch noch ihre allerbeste Freundin aus der gemeinsamen Wohnung aus. Mit Sophie verband sie ein so inniges Verhältnis »wie bei einem lesbischen Paar, das keinen Sex mehr hat«. Weil sie sich das Apartment alleine nicht leisten kann, drückt ihre Unbehaustheit sich nun auch noch im ständigen Wechsel der Unterkünfte aus.
Und doch tanzt sie mit uns, den verwunderten Zuschauern, durch die Peinlichkeiten und Glücksmomente ihrer Existenz, wirbelt mal leichtfüßig über die Straßen Brooklyns, dreht zu David Bowies »Modern Love« auf Zebrastreifen Pirouetten, plappert sich um Kopf und Kragen, sprüht mal vor haltlosem Selbstbewusstsein, um dann wieder ratlos in die fremde Welt zu starren und einen Wochenendtrip nach Paris fast vollständig zu verschlafen – das ist wohl der Jetlag. Bräuchte diese Chaotin ein Motto, es könnte Becketts »Try again. Fail again. Fail better.« sein. Greta Gerwig spielt dieses Wesen mit derart berückendem Charme, dass man sie sofort zum Superstar erklären muss. Allein schon der Kontrast von Frances' Eleganz beim Tanz zur befremdlichen Fahrigkeit ihrer Alltagsbewegungen ist höchste komische Kunst.
Gemeinsam mit Noah Baumbach hat Gerwig auch das Drehbuch geschrieben, und so könnte die entwaffnende Herzlichkeit des Films zum guten Teil auch ihr zuzuschreiben sein. Dieses Porträt einer Drifterin treibt selbst wie vom Zufall gelenkt von einer Episode zur nächsten, fotografiert in exquisitem Schwarzweiß. Angesichts der reichen Grauschattierungen der New-York-Bilder, der quirligen Dialoge und der neurotischen Disposition von Frances ist der Vergleich mit Woody Allens »Manhattan« durchaus nahe liegend, auch einen entfernten Verwandten des Berliner Drifterfilms »Oh Boy« mag man hier erkennen, doch »Frances Ha« hat – vor allem dank seiner Protagonistin – einen sehr speziellen Charakter. Und atmet der Film auch den Stil der Nouvelle Vague, überdies begleitet von zahlreichen Stücken Georges Delerues, so findet er doch seine eigene Tonlage, die stets spüren lässt, dass seit den Aufbrüchen von Godard oder Truffaut viel Zeit vergangen ist, und in diesem Bewusstsein schwingt durchaus eine schmerzliche Nostalgie mit. Frances ist eine junge Frau von heute, zugleich aber erscheint sie in unserer Welt indisponiert. Möglicherweise lebte sie lieber in einer Zeit, in der junge Männer noch keine künstlich gealterten Baseballcaps trugen und in der man in Wohnungen noch rauchen durfte, ohne sich wie eine »Rabenmutter aus dem Jahr 1987« vorzukommen.
Ein wenig Eitelkeit muss man der Inszenierung nachsehen, das Wissen um die eigene Lässigkeit kann sie nicht verhehlen, die eine oder andere Pointe wiederum kommt etwas bemüht daher. Doch dies sind kleinere Schwächen eines Films, der bei aller Ironie vor allem Großzügigkeit ausstrahlt und weder Frances noch die anderen Figuren der Lächerlichkeit preisgibt. Die meisten so genannten Feelgood-Komödien transportieren ziemlich beschränkte, stereotype Ideen vom Glück. »Frances Ha« dagegen zählt zu jenen Filmen, die ihren Humor aus dem Wissen von der Fehlbarkeit der Menschen wie ihrer Glückskonzepte beziehen. Immer wieder findet er poetische Momente in Begegnungen, die banal sein könnten, entdeckt Komik, Melancholie oder Liebe in einer beiläufigen Einstellung, einem Blick im Vorübergehen. »Frances Ha« braucht keine positiven Wendungen, um zu beglücken. Er findet seine Leichtigkeit in den wunderbarsten Nuancen von Grau.
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