Kritik zu Wind River

© Wild Bunch

Taylor Sheridan versucht, mit einem modernen Schneewestern an seinen Erfolg mit »Hell or High Water« anzuschließen, mit Jeremy Renner in der Rolle eines Fährtenlesers im Zentrum

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Verzweifelt kämpft die 18-Jährige sich durch eine menschenleere Schneewüste. Bis zur nächsten Siedlung im ländlich geprägten Bundesstaat Wyoming sind es gut acht Kilometer – viel zu weit für einen Fußmarsch in dieser mörderischen Kälte. Tage später findet der Fährtenleser Cory Lambert ihre Leiche. Er kennt die Tote. Es ist die Tochter seines besten Freundes. Lambert weiß auch, wie sie starb: Bei diesen arktischen Temperaturen platzten ihre Lungenbläschen, so dass sie an ihrem eigenen Blut ertrank. Doch warum hatte die junge Frau, die in diesem Indianer­reservat aufgewachsen ist und sich mit den Bedingungen bestens auskennt, keine Schuhe an?

Diese bange Frage beantwortet Taylor Sheridan ruhig, beinahe meditativ. Nach mäßig erfolgreicher Darstellerkarriere machte er sich mit dem Skript zu dem Drogenthriller »Sicario« und dem für einen Drehbuch-Oscar nominierten Neo-Western »Hell or High Water« einen Namen. Mit dem Independent-Drama »Wind River«, seinem Regiedebüt, lotet Sheridan nun die trostlose Situation der kulturell entwur­zelten Indianer im gleichnamigen Reservat aus.

Die an Sergio Corbuccis »Leichen pflastern seinen Weg« erinnernde Schneewüste wurde fotografiert von Ben Richardson, der schon in »Beasts of the Southern Wild« einen Blick für Landschaften zeigte. Erzählt wird die durchdacht aufgebaute Geschichte aus der Perspektive des Wildtierjägers Lambert, der sich mit einem weißen Tarnanzug perfekt an diese menschenfeindliche Öde angepasst hat. Seit dem Tod seiner Tochter, die auf ähnliche Weise starb wie die junge Indianerin, lebt er von seiner Frau getrennt. Der Jäger ist damit auch von der Zivilisation separiert und gefühlt ein Teil der Natur geworden. Nicht im romantisch verkitschten Sinn: Er tanzt nicht mit dem Wolf, er schießt ihn ab. Genauso wird er mit den Mördern der jungen Indianerin verfahren.

Spannend eingefädelt ist die Geschichte durchaus. Zumal Sheridan mittels einer elegant eingefügten Rückblende das Schicksal des Opfers mit nahezu mythischer Wucht schildert. Auch die Qualität der Darstellung ist ansehnlich: Jeremy Renner spielt den Racheengel Lambert an der Seite von Elizabeth Olsen als FBI-Agentin. Gemeinsam standen beide bereits in zwei Marvel-Adaptionen vor der Kamera und harmonieren auch in diesem unterkühlten Schneewestern. Warum aber, so fragt man sich schon früh, wird das ­Schicksal der Indianer – immerhin das Grundmotiv des sich ambitioniert gebenden Films – ausgerechnet aus der Perspektive zweier Weißer geschildert?

Noch unglaubwürdiger erscheint es, dass das FBI eine Agentin schickt, die auf die Situation im Reservat nicht vorbereitet ist und offenbar auf nichts anderes gewartet hat, als dass der sympathische Wildhüter hier das Kommando übernimmt. An der zu erwartenden Liebesgeschichte zwischen den beiden schrammt der Film gerade noch so vorbei. Deutlich spürbar ist jedoch, dass Sheridan als Regisseur und Autor mit weiblichen Charakteren nichts anzufangen weiß. Ihm gelingt ein handwerklich versierter Independent-Western, dessen Figuren leider noch nicht in der ­Gegenwart angekommen sind.

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