Kritik zu Viel Lärm um nichts

© Edel:Motion Film

2012
Original-Titel: 
Much Ado About Nothing
Filmstart in Deutschland: 
24.07.2014
L: 
109 Min
FSK: 
6

Wir raten zu OmU! Denn in dieser modernen Shakespeare-Verfilmung perlt der Originaldialog so munter, als ob er von heute wäre. Offenbar hatten Avengers-Regisseur Joss Whedon und die Schauspieler aus seinem Pop-Universum beim Dreh richtig Spaß

Bewertung: 4
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 1)

Bevor der Schurke den Schauplatz seines Verbrechens verlässt, schnappt er sich noch ein Cremetörtchen vom Tisch. Sieht süß und sehr lecker aus. Wie fast alles in Joss Whedons Film, einer Shakespeare-Adaption der unterhaltenden Sorte, die nicht mit Blick aufs Dichterjubiläum inszeniert wurde, sondern vor zwei Jahren entstand, zwischen dem Dreh und dem Schnitt der Avengers. In dem Comicfilm hatte Regisseur und Autor Whedon schon mal seinen inneren Barden gechannelt – Iron Man an Thor: »Doth mother know you weareth her drapes?« –, und mit der Komödie »Much Ado About Nothing« (»Viel Lärm um  nichts«) scheint er sich sehr wohl zu fühlen: Der Dialog, mehr Prosa als Vers in diesem Fall, perlt munter dahin, und wenn die bewegliche Kamera zwischen Pool und Patio zur Ruhe kommt, entfalten sich hübsch ausdekorierte Tableaus in noblem Schwarz-Weiß.

Much Ado wurde als eine Art Familienfilm auf Whedons Anwesen in Santa Monica gedreht, mit Weggefährten aus seinem verspielten Universum, in dem sich »E« und »U«, Genremotive, Popdiskurse und politische Bezüge mischen. Amy Acker und Alexis Denisof aus der »Angel«-Serie, Nathan Fillion aus Firefly oder Clark Gregg, als Agent Coulson der heimliche Star des Avengers-Franchise, wirken völlig unbefangen in Whedons lässiger Versuchsanordnung: Er hat den Originaltext ohne korrigierende Eingriffe über ein  modernes Setting gelegt, so dass Namen, Titel und Orte, die der Renaissance etwas bedeuteten, wie Störer in die Geschichte ragen. Dahinter stand vielleicht kein Plan, aber der Film hält so das Bewusstsein dafür wach, dass »Much Ado« aus einer Zeit kommt, in der die Menschen anders lebten, liebten und starben als heute.

Sagen wir also, wir sind in Messina. Im Haus des Gouverneurs Leonato herrscht Partystimmung, als sich der Feldherr Don Pedro, zurückgekehrt aus einem offenbar nicht allzu blutigen Krieg, mit seiner Entourage einquartiert; es wird getrunken, geplaudert, geflirtet, getanzt. Zwei Romanzen entfalten sich hier. Im B-Plot, der tatsächlich der interessantere ist und die Wahrnehmung der Komödie über all die Jahrhunderte geprägt hat, testen Pedros Gefolgsmann Benedick und Leonatos mittellose, schwer zu verheiratende Nichte Beatrice die Möglichkeit einer Beziehung auf Augenhöhe aus, mit scharfem Witz und gezielten Beleidigungen – nicht leicht, diese beiden zusammenzubringen. In der Haupthandlung verliebt sich der junge Claudio in die schöne, schweigsame Hero, die Tochter und Erbin des Hausherrn. Hier scheint alles zu passen, man ist sich schnell einig. Doch Pedros missratener Bruder, eine von diesen Figuren, die nur existieren, um Chaos zu stiften, inszeniert eine Intrige. Hero wird vor dem Altar von ihrem Liebsten der Unkeuschheit bezichtigt, die Hochzeit platzt, die Braut sinkt hin, plötzlich geht es um Leben und Tod.

Die Verbindung zwischen Benedick und Beatrice ist keine »Vernunftehe«, auf ihre Weise aber wohl erwogen: Sie gründet auf intellektueller und weltanschaulicher Übereinstimmung – ein fast schon bürgerlich-demokratisches Konzept mit einer Mechanik wie in einer Screwball-Comedy und einem Touch, nun ja, Feminismus. Kein Wunder, dass »B & B« auch in diesem Film vitaler wirken als der Rest der Personnage; Amy Ackers Beatrice ist eine richtige Whedon-Frau, ein sprite, ein Kobold, leicht erregbar, unabhängig und so beweglich, dass man sich nicht wundern würde, wenn sie sich teleportierte oder durch die Wände ginge. Mit Claudio und Hero, deren scheinbar hoch romantische Liebe ums Haar an der gesellschaftlichen Norm scheitert, weiß Whedon weniger anzufangen – das Drama der verlorenen Ehre löst sich flott und lapidar.

Funken schlägt der Film aber auch aus der Konstruktion des Stücks: einem einzigartigen Flow von Maskeraden, Vorspiegelungen, indirekten Informationen und Lauschangriffen, zu dem das entlarvende Handyfoto nicht schlecht passt, das die von Nathan Fillion charmant inkompetent geführten Wachmänner einmal in die Kamera halten. Das alles ergibt keine drängende neue Shakespeare-Lesart, fügt sich aber in Whedons Pop-Welt und ist der perfekte Film für einen lauen Sommerabend. Iron Mans elektronischer Butler Jarvis würde sagen: »Ich halte einen trockenen Weißwein für angemessen, Sir.«

Der Film kommt synchronisiert und OmU ins Kino; für die Presse lief er im Original.

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