Kritik zu Split
Im neuesten Thriller von M. Night Shyamalan darf James McAvoy in der Rolle eines Mannes mit »dissoziativer Persönlichkeitsstörung« sein großes Talent als Verwandlungskünstler zeigen
Als M. Night Shyamalan 1999 seinen Thriller »The Sixth Sense« vorlegte, glaubte man in Hollywood, ein neues Regiewunder entdeckt zu haben. Die Mischung aus Suspense und spirituellem Bonusmaterial sowie der legendäre finale Twist lösten einen weltweiten Hype aus und brachten dem Film ein sattes Einspielergebnis von über 672 Millionen Dollar ein. An diesen Erfolg konnte Shyamalan nie wieder anknüpfen. Obwohl er bei »Unbreakable« (2000), »Signs« (2002) oder »Das Mädchen aus dem Wasser« (2006) mit einer ähnlichen Mischung arbeitete, blieben sie nicht nur ökonomisch weit hinter den Erwartungen zurück. Selbst »After Earth« (2013) mit Will Smith samt Sohnemann sorgte nicht für den erhofften Karrierekick. Ob dafür Hollywoods Stigmatisierungsmechanismen verantwortlich sind oder Shyamalan selbst, lässt sich schwer ausmachen. Aber es scheint, dass sich der Regisseur mittlerweile weniger ambitioniert in der Genreecke eingerichtet hat.
Genau wie sein letzter Film »The Visit« zielt jetzt auch »Split« mit einem relativ kleinen Budget auf die eingeschworene Horrorfilmgemeinde. Der Protagonist in »Split« leidet unter einer sogenannten »dissoziativen Identitätsstörung«. Das führt dazu, dass Hauptdarsteller James McAvoy am Ende in den Credits für ein halbes Dutzend Rollen aufgeführt wird – und das ist nur ein Bruchteil einer Palette von 23 Persönlichkeiten, in die sich seine multiple Identität aufgespalten hat. Brian, der stilbewusste Modeschöpfer, Hedwig, ein lispelnder Neunjähriger, Dennis, der Kontrollfreak, und die sittenstrenge Miss Patricia – sie alle kämpfen mit weiteren rivalisierenden Ichs um die seelische Vorherrschaft. Die beiden letztgenannten sind für die Entführung von drei weiblichen Teenagern verantwortlich, die sie in abgeschotteten Kellerräumen festhalten. Unter den Entführten befindet sich Claire (Haley Lu Richardson), die aufgrund eigener Missbrauchserfahrungen die Psyche ihres Peinigers zu entschlüsseln beginnt.
Mit seinem klaustrophobischen Täter-Opfer-Setting gehört auch »Split« – wie zuletzt »Room« oder »10 Cloverfield Lane« – zu jenem Thrillersubgenre, das sich des Falles Natascha Kampusch als grauenerregender Inspirationsquelle bedient. Aber auch wenn am Ende zumindest eines der Opfer aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse zu einer gewissen Stärke findet, ist es der Täter mit der multiplen Persönlichkeit, dem die ganze Aufmerksamkeit des Filmes gehört. Eine solche Rolle, die sogar Verweise auf Hitchcocks »Psycho« (1960) zulässt, ist natürlich ein gefundenes Fressen für einen Vollblutschauspieler wie James McAvoy (»Atonement«/»X-Men«). Mit Verve springt er von einer Identität zur nächsten und beweist sich als echter Verwandlungskünstler, der hier weitgehend ohne Hilfsmittel wie Maske und Kostüm auskommen muss. Wenn er jedoch am Schluss zu einem omnipotenten Biest mutieren muss und das ohnehin unangenehme Mädchenquäl-Setting unnötig brutalisiert wird, verliert die Angelegenheit schnell an Restfaszination und mündet in billige Genreroutine.
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