Adam Driver: Verspielt wie eine Katze
Adam Driver in »Paterson« (2016). © Weltkino
In der Serie »Girls« und dem Hipsterfilm »Gefühlt Mitte zwanzig« hat er seinen Kostars mit einer fast animalischen Vitalität die Schau gestohlen. In Jim Jarmuschs »Paterson« muss Adam Driver zeigen, ob er auch anders kann: als introvertierter, schweigsamer Busfahrer. Birgit Roschy meint: Egal, was er tut – man sieht ihm gerne zu
Eine der Schlüsselszenen in Joel und Ethan Coens Musikfilm »Inside Llewyn Davis«, der im Jahr 1961 spielt, ist die Plattenaufnahme eines Folklieds in einem Tonstudio. Links sitzt der verkrachte Titelheld und singt mit einer Kippe im Mund, daneben sein von Justin Timberlake gespielter Freund, der wie ein aufgekratzter Chorknabe wirkt – und neben dem wiederum ein langes schattiges Etwas mit einem Stetson auf dem Kopf. Während die anderen beiden das hübsch idiotische Liedchen »Please Mr. Kennedy / Don't you shoot me into outer space« vor sich hin singen und klampfen, gibt er den Chorus und maunzt in unregelmäßigen Abständen ein markerschütterndes »Ou-Ouuut!« ins Mikrofon. Und wenn die Kamera frontal auf das Gesicht mit dem Riesenzinken, den Segelohren und dem großen grimassierenden Mund schwenkt, denkt man: Geht doch alle mal raus und lasst uns diesen schrägen Vogel genauer betrachten.
2013 hatte Adam Driver gerade die ersten Folgen der HBO-Serie »Girls« abgedreht. Und schon gaben die Coens mit ihrem Instinkt für das pittoresk Unorthodoxe dem Newcomer die kleine, aber denkwürdige Rolle des Sängers Al Cody (inspiriert von Folksänger Ramblin' Jack Elliott) – ein Auftritt, der seither einen gewissen Kultstatus hat.
Adam Driver, der erst nach verrückten Umwegen Schauspieler wurde, ist aufregend anders. Und es ist einzig dem US-Serienboom, in dem besonders junge, arthouse-affine Filmemacher eine neue Spielweise gefunden haben, zu verdanken, dass dieser aparte Typ so schnell ins Rampenlicht geriet, sich nicht in stereotypen Hollywood-Nebenrollen verschleißen musste. Lena Dunham, die Schöpferin von »Girls«, erinnert sich daran, wie Driver beim Casting eintraf, seinen Motorradhelm in der Hand.
»Alle waren sofort hingerissen« von der Intensität des 1,90 Meter großen, breitschultrigen Newcomers. Seine Interpretation der Rolle des New Yorker Hipsters Adam Sackler beeinflusste entscheidend das Drehbuch. Und dies, obwohl – oder weil – Sackler von Anfang an ein echtes Arschloch ist, selbst wenn er sich im Lauf der Serie in der On-Off-Beziehung mit der von Lena Dunham gespielten Hannah Horvath zu bessern scheint. Sackler, der Spinner, stellt im Ensemble dieser Sitcom, einer neurotischen Underdog-Variante des glamourösen »Sex and the City«-Frauenquartetts, eine Klasse für sich dar. In all dem selbstironischen und larmoyanten Geplapper der Mittzwanziger-Bohemiens ist Sackler, der unter der Dusche lachend seine Freundin anpinkelt, auf fast autistische Weise taktlos, sprunghaft, unbefangen und authentisch. Er ist ein sportbesessener Narziss, der fast immer mit freiem Oberkörper herumläuft, getrieben von einer nervösen Energie, die ihn unberechenbar macht.
Man möchte ihn ohrfeigen, einerseits. Doch seinem ungebärdigen Sex-Appeal, der die intellektuelle und zwanghafte Hannah dazu bringt, sich immer wieder mit ihm einzulassen, egal, wie sehr er sie demütigt, erlag auch das Publikum. Und so geriet statt einer der Darstellerinnen – das Leben ist ungerecht – der wilde Sackler zum Joker der frauenbewegten Serie. Driver wurde »das Sexsymbol der Millennium-Generation« genannt, bekam Werbeverträge bei Gap und grinste schief auf den Titeln der Hochglanzmagazine.
Seit »Girls« – die sechste und letzte Staffel ist in Vorbereitung – wollen alle etwas von Driver. Als Hipster-Prototyp mit Hut ist er in den Noah-Baumbach-Komödien »Frances Ha« und »Gefühlt Mitte Zwanzig« zu sehen. Tritt er neben Frances – Greta Gerwig – als dandyhafter, flirtlustiger WG-Mitbewohner auf, so gibt er in »Gefühlt Mitte Zwanzig« eine echte Rampensau. Und demaskiert das flotte Hipstertum seiner Figur mit virtuoser Ungerührtheit als Pose: Jamie, der angehende Dokumentarfilmer und Lebenskünstler, dessen zeitgeistige Coolness der ältere Ben Stiller nachzuahmen versucht, entpuppt sich am Ende als machiavellistischer Macker. In der romantischen Großstadtkomödie »The F-Word – Von wegen nur gute Freunde!«, in der Driver als Kumpel von Daniel Radcliffe auftritt, muss er dagegen ein noch ungebrochenes Hipster-Klischee bedienen.
Jim Jarmusch wiederum, selbst der ewige Hipster unter den Arthouse-Veteranen, besetzte Driver in seiner neuen Tragikomödie »Paterson« in der Rolle eines unscheinbaren Normalos, der den Ball flach hält. Adam Driver spielt einen Busfahrer und introvertierten Alltagspoeten, der Gedichte schreibt. Über lange Strecken beobachtet der Film seinen Helden schlicht beim Schauen, Denken und Zuhören. Und es braucht einen Darsteller wie Driver, dessen Markenzeichen seine Intensität ist, um diese Stille interessant zu machen; er wirkt auch in den meditativen Momenten wie ein Mann, der innerlich brennt. Schon 2014 bekam er für seine Kümmererrolle in Saverio Constanzos Beziehungsdrama »Hungry Hearts« zusammen mit der ebenfalls »unheimlich« aparten Alba Rohrwacher, die eine psychotische Mutter spielt, den Darstellerpreis auf dem Filmfestival in Venedig.
Doch Driver hat in seiner jungen Karriere nicht nur Arthouse-Regisseure wie zum Beispiel auch Jeff Nichols (»Take Shelter«), in dessen Mystery-Drama »Midnight Special« er als boffin, als Wissenschaftler im geheimdienstlichen Auftrag, jede seiner Szenen beherrschte, abgehakt. Er war bereits in einer Minirolle in Steven Spielbergs »Lincoln« dabei. Dann ist da natürlich der Ritterschlag als Kylo Ren in der neuen »Star Wars«-Trilogie, ein Part, mit dem Driver auf die böse Mainstreamseite der Macht überzuwechseln schien. Allerdings wirkt sein alberner Auftritt als weinerlicher Schurke mit Vaterbeschwerden wie eine billige Kopie etwa von Tom Hiddlestons aristokratisch-fiesem Loki; dieser Besetzungscoup scheint einzig Drivers Popularität bei der »Girls«-Zielgruppe geschuldet. 2017 wird er in den neuen Filmen von keinen Geringeren als Steven Soderbergh (»Logan Lucky«) und Martin Scorsese (»Silence«) auftreten. Und schließlich die Sensation: Terry Gilliams legendäres unvollendetes Filmprojekt »Don Quixote« soll nun doch realisiert werden. Mit Adam Driver als Sancho Pansa: Sollte das Projekt diesmal klappen, übernimmt er das Staffelholz von Ewan McGregor und Johnny Depp, die Gilliam in den Jahren davor angefragt hatte.
Der Rummel um Driver ist ein popkulturelles Phänomen. Das Internet ist nicht nur voller shirtless-Fotos des hübschhässlichen Stars. Furore machte besonders das Foto einer Katze mit großen Ohren, die als Adam Drivers Doppelgänger gehandelt wird. Da ist etwas dran: Das Charisma, mit dem er seinen Mitspielern die Show stiehlt, hat den Effekt eines durchs Bild spazierenden Katers, der alle Blicke auf sich zieht: eines Katers, der gelegentlich austickt und die Wände hochjagt, sonst aber ungerührt sein Ding durchzieht. Auch bei Driver scheint es fast egal, was er macht – man will ihm einfach nur zusehen. Und vielleicht ist dieses besonders in »Girls« demonstrierte Abgekoppeltsein von der Umgebung das Geheimnis seiner Faszination: eine von Scham, Ironie und Sarkasmus freie Geradlinigkeit, die eine gewisse Unschuld ausdrückt.
Fans, die ihn auch im wahren Leben als ultimativen Hipster verehren, müssen jetzt ganz stark sein. Denn es wäre gut möglich, dass diese coole Distanz das Echo eines Vorlebens ist, das einen urbanen Bohemien bis in die Bartspitzen hinein erschauern lässt. Der in der republikanischen »Red States«-Provinz aufgewachsene Driver ist nämlich nicht nur Sohn eines Priesters und hat eine religiöse Erziehung genossen. Er hat sich überdies nach 9/11 mit 18 Jahren bei den Marines verpflichtet und war drauf und dran, in den Irakkrieg zu ziehen. Doch 2004 wurde er zu seinem großen Leidwesen wegen eines schweren Unfalls in Ehren entlassen – und bewarb sich erfolgreich an der Juilliard-Schauspielschule. Die Rückkehr ins zivile Leben mit Leuten, die »drinnen Hüte trugen, ihre Hemden heraushängen ließen und sich in den Sessel lümmelten«, war schwierig.
Statt seine Militärzeit als Fehltritt zu belächeln, lässt Driver seither keine Gelegenheit aus, von der Disziplin, dem Drill und der Kameradschaft zu schwärmen. Mehr noch: Wenn er im Theater anderen bei der Selbstverwirklichung zusah, dachte er an seine Kumpel im Krieg und fragte sich: »Verdammt, was tue ich hier?« Wenn er über seine Blitzkarriere spricht, klingt er, wie es heißt, immer ein wenig verlegen, so als ob die Filmerei viel weniger cool als seine vergangene Militärzeit sei. Seine Verbindung zur Truppe ist nach wie vor eng; so organisiert er etwa mit Susan Sarandon Theateraufführungen für Soldaten, in denen das Militär nicht »herablassend«, wie er sagt, dargestellt wird. Das Militär ist auch für seinen in attraktivem Kontrast zu dem elfenhaften Gesicht stehenden durchtrainierten Body verantwortlich. Er habe, sagt er, dank des Drills ein »dickes Fell« – die Voraussetzung für seine maskulin-souveräne Ausstrahlung – entwickelt.
Zudem behauptet Driver, der durch das Internet erst zum Star wurde, dass er die ganze Technik nicht verstehe: »Ich habe sogar ziemlich Angst davor«. Er hasst Smartphones, hat weder einen Twitter-Account noch Kabelfernsehen und hat noch nie eine »Girls«-Folge gesehen. Sollte die Hipster-Nummer nur ein Irrtum von Fans sein, die sich freuen, unter lauter sensiblen Latte-Trinkern mal wieder einen markig-unangepassten Kerl zu sehen? Man darf durchaus gespannt sein, ob Drivers spezieller Charme den faulen Zauber von »Star Wars 7« überlebt. Sein Motto »Mir doch egal, ob ich wie eine Witzfigur aussehe« klingt aber schon mal vielversprechend.
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