Interview mit Adam Driver über seine Rolle in »Paterson«
»Paterson« (2016) mit Golshifteh Faharani und Adam Driver. © Weltkino
Ihre Figur in »Paterson« spricht relativ wenig. War das eine besondere Herausforderung?
Ehrlich gesagt vergesse ich das ganz oft: wie stumm Paterson eigentlich ist. Schon beim Dreh habe ich mir das gar nicht bewusst gemacht. Denn um ihn herum passiert so viel, dass es mehr als genug Dinge gibt, die er verarbeiten und in sich aufnehmen muss. Das war für mich gar nicht so anders, als wenn ich mich mittels Dialogen mit einer Figur und deren Umfeld auseinandersetze. Wobei man als Zuschauer natürlich nicht ohne weiteres meine Gedanken hören kann. Aber ich hoffe natürlich, dass sich der eine oder andere trotzdem überträgt.
Haben Sie sich die Rolle als bewussten Kontrast zu Kylo Ren in »Star Wars« ausgesucht, den Sie direkt davor gespielt haben?
Nicht unbedingt. Eine Rolle bei Jim Jarmusch hätte ich auch zu jedem anderen Zeitpunkt gespielt. Aber der Gegensatz zwischen einem Film wie »Paterson« und »Star Wars« ist schon reizvoll. Man bekommt heutzutage ja nicht so viele Gelegenheiten, etwas zu spielen, das vollkommen auf Explosionen und Action verzichtet. Ich finde es wunderbar und mutig von Jim zu zeigen, dass auch ein ganz normaler, ruhiger Mann wie Paterson kinotauglich ist und die Leinwand nicht zwingend Spektakel braucht.
Eine wichtige Rolle in Paterson spielt die Poesie. Sind Gedichte etwas, zu dem Sie einen Bezug haben?
Ich muss zugeben, dass es mir so geht wie vermutlich der Mehrheit meiner Gesellschaft: Lyrik ist leider nichts, womit ich mich jenseits der Pflichtlektüre in der Schule besonders auseinandergesetzt habe. William Carlos Williams, Frank O’Hara oder Ron Padgett waren vor »Paterson« für mich mehr oder weniger unbeschriebene Blätter. Umso glücklicher bin ich nun, dass ich mich mit ihnen beschäftigt habe, denn das sind große Künstler.
Ein einzigartiger Künstler ist natürlich auch Jarmusch selbst. Wie würden Sie beschreiben, was ihn als Filmemacher ausmacht?
Was mir immer sofort bei Jim auffällt – sei es in der direkten Arbeit mit ihm oder auch einfach in seinen Filmen –, ist seine unglaubliche Musikalität. Damit meine ich nicht die fantastische Musik, die er in seinen Filmen einsetzt. Sondern sein unglaubliches Gespür für Rhythmus und Timing. Es ist bisweilen fast so, als würde er seine Filme nicht in erster Linie vor seinem inneren Auge sehen, sondern in seinem inneren Ohr hören.
Gab es ein besonderes Highlight in der Arbeit mit ihm?
Na klar: Ich durfte ein Fahrzeug steuern! Transportmittel sind ja fast immer Schlüsselelemente in den Filmen von Jarmusch. Bei ihm hinterm Steuer zu sitzen ist etwa so legendär, wie in einem Film der Coen-Brüder einen Cowboyhut zu tragen. Keine Ahnung, wie bewusst sich Jim dessen eigentlich ist. Aber für mich war das Fahren dieses Busses ein archetypisches Jarmusch-Erlebnis!
Auf Patersons Nachttisch sieht man ein Bild von Ihnen in Militäruniform. Das ist eines aus Ihrem Privatbesitz, nicht wahr?
Das stammt aus meiner Zeit bei der Marine, wo ich fast drei Jahre lang gedient habe. Dass Paterson ein ehemaliger Soldat ist, stand nicht im Drehbuch, und es spielt für den Film auch keine Rolle. Aber genau deswegen fand ich dieses beiläufig integrierte Foto so wichtig. Die meisten Menschen haben so ein Klischee von Soldaten im Kopf. So als seien wir alle aggressive Leute mit posttraumatischen Belastungsstörungen, also tickende Zeitbomben. Zu zeigen, dass man auch ganz unaufgeregt zurück ins »normale« Arbeitsleben finden kann, hat mir gut gefallen.
Hatten Sie schon vor Ihrer Marinezeit Interesse an der Schauspielerei?
Interesse schon. Aber nicht das Selbstbewusstsein, um mich wirklich darauf einzulassen. Nach den Erfahrungen beim Militär war ich dann allerdings plötzlich der Meinung, dass verglichen damit sämtliche Zivilistenprobleme nicht der Rede wert sind. So nach dem Motto: Wenn ich das hier überstanden habe, ist es nun wirklich keine Schwierigkeit, jeden Tag in den Supermarkt zu gehen. Natürlich entsprechen solche Vergleiche kein bisschen der Wahrheit. Aber dank dieses aufgeblähten, falschen Selbstvertrauens wagte ich es, alles auf eine Karte zu setzen und mich in New York an der Schauspielschule zu bewerben. Weil ich davon überzeugt war, dass ich im Falle des Scheiterns auch obdachlos im Central Park würde überleben können.
Soldat und Schauspieler – die Unterschiede könnten kaum größer sein, oder?
Würde ich gar nicht so sehen. Der Aspekt der Teamarbeit ist zum Beispiel beiden Berufen gemein. In beiden Fällen ist eine Gruppe von Menschen damit beschäftigt, eine Mission zu erfüllen – und jedem Einzelnen kommt dabei eine spezielle Rolle zu, die nicht austauschbar ist. Alle ziehen am gleichen Strang und halten sich gegenseitig den Rücken frei. Und in beiden Fällen kann eine Portion Selbstdisziplin nicht schaden.
Karrieretechnisch sind Sie innerhalb von fünf Jahren enorm durchgestartet. Gab es da auch mal Momente der Überforderung?
Auf jeden Fall. So richtig habe ich immer noch nicht verarbeitet, wie sich mein Leben entwickelt hat. Wenn plötzlich Regisseure an deine Tür klopfen, deren Arbeit du sonst als Fan begleitet hast, dann ist das nichts, was unmittelbar in deinem Bewusstsein ankommt. Zumal ich natürlich nicht wirklich viel Zeit hatte, um meine Entwicklung zu analysieren, denn ein Job jagt den nächsten. Allerdings finde ich das ganz gut, denn warum sollte ich in Grübelei versinken und dabei doch nur zu dem Schluss kommen, dass wir alle eines Tages alleine sterben werden? Dann genieße ich doch lieber diesen Schnellzug, auf den ich da aufgesprungen bin.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns