Kritik zu Fieber
Die österreichisch-deutsche Regisseurin Elfi Mikesch leuchtet in ihrem persönlichsten Film ein düsteres Kapitel ihrer Kindheit aus
Franziska (Eva Mattes) ist mit ihrer Kamera ins Schlachthaus gekommen, um frisch zerlegte Schweine abzulichten. »Warum fotografieren Sie das?«, erkundigt sich der Metzger überrascht. Die Frage nach dem Motiv führt die Fotografin zurück in ihre Kindheit. In den 50er Jahren lebte sie mit ihren Eltern in einem österreichischen Provinznest, wo ihr Vater (Martin Wuttke) mit dem Motorrad Schweinehälften auslieferte. Eigentlich war er ihr großes Idol. Wenn er seiner Frau (Nicole Max) in die Feder diktierte, was er als Fremdenlegionär in Marokko und Algerien erlebt hatte, dann lauschte die Kleine neugierig an der Tür.
Erzählungen des Vaters und die Fotografien, die er aus dem Wüstenkrieg mitbrachte, entwickeln in der Fantasie der 12-Jährigen ein reges Eigenleben. Elfi Mikesch hat dieses autobiografisch inspirierte filmische Puzzlespiel nach eigenem Drehbuch inszeniert. Dabei denkt die Fotografin, Regisseurin, Autorin und preisgekrönte Kamerafrau vornehmlich in Bildern. Foto und Film treten in einen spannenden Dialog. Szenen der Kindheit gestaltet sie wie morbide Stillleben aus Pflanzen und verrotteten Möbeln, in die sich die Kamera mit meditativer Ruhe versenkt. In seinen starken Momenten erzeugt der drei Erzählebenen ineinander spiegelnde Film die Anmutung eines mäandernden Romans. Sitzt in der Nacht plötzlich ein fantasierter Soldat an Franziskas Bett, um von seinen Qualen zu berichten, dann wird der vergessene spanisch-marokkanische Rifkrieg aus den 1920ern lebendig. Das Bild des Vaters bekommt dabei immer mehr Risse, zumal auch die französische Nachbarin, eine kecke Schneidern, noch einiges zu erzählen weiß. Gibt es diese Frau wirklich? Oder ist auch sie nur Einbildung?
Warum die erwachsene Franziska um ihren Vater selbst Jahrzehnte nach dessen Tod nicht trauern kann: an dieses Thema nähert Mikesch sich vorsichtig tastend an. Wie jemand, dem die Worte fehlen. Entsprechend erfordert dieser Film eine gewisse Geduld. Er ist, seinem Titel entsprechend, selbst wie eine Art Fiebertraum inszeniert. Martin Wuttke als Vater und Eva Mattes als erwachsene Tochter sind als Darsteller sehr präsent, doch ihre Figuren bleiben statuarisch. Warum das so ist, enthüllt sich erst allmählich. Analog zur Mausefalle in »Hamlet« führt auch Franziska mit ihrem kleinen Bruder (Louis Wagner) für die Eltern eine Art Stück im Stück auf. Die Tochter bringt darin zum Ausdruck, dass der Vater sie missbraucht, immer wenn er einen Malariaschub hat – oder vortäuscht. Während die Tochter mit dem Gedanken spielt, sich die Pulsadern aufzuschneiden, hat die blinde Mutter nur panische Angst davor, ihr labiler Mann könne sich etwas antun.
Um diese Verletzung herum hat Elfi Mikesch einen atmosphärischen Film inszeniert, der leider nicht durchweg überzeugt. Die Szenen um die erwachsene Franziska und die angedeutete Queer-Thematik erschließen sich nicht jedem Zuschauer. Auch das Themenbündel um Kolonialkrieg, Giftgas, Inzest, Katholizismus und Vergangenheitsbewältigung ist recht lose geschnürt. In Erinnerung bleiben die artifiziellen Bilder.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns