Kritik zu Deutschland. Dein Selbstporträt
Life in a German day: Aus rund 10 000 Amateurfilmeinsendungen haben Sönke Wortmann und der Cutter Ueli Christen diesen Film destilliert, mal privat, mal banal, mal erhellend
Mit Kompilationsfilmen, erstellt aus Amateur- oder Archivmaterial, ist es immer eine schwierige Sache. Man kann sich oft des Eindrucks nicht erwehren, dass sie auf den billigsten aller Lacher zielen: das Lustigmachen über Menschen, die sich nicht wehren können. Das war schon bei der Mutter aller deutschen Kompilationsfilme so, bei Robert van Ackerens »Deutschland privat«. 1979 hatte er aufgerufen, ihm Super-8-Homemovies zu schicken. Es waren Aufnahmen von Familien- und Betriebsfeiern und seltsame erotische Szenen, die Softcore-Filme kopierten. Einblicke in deutsche Spießigkeit, sicherlich. Aber je mehr der Film sich im Kopf absetzte, desto mehr Fragen kamen auf: Hat dieser Blick in deutsche Wohnzimmer nicht auch etwas Voyeuristisches? Und muss man die Macher vielleicht doch vor ihrem eigenen Exhibitionismus schützen? Später dann die Zusammenstellungen aus DDR-Wochenschaumaterial. Wer noch nicht wusste, dass die Ostzone lächerlich war, hier bekam er es knüppeldick serviert.
Auf solche Effekte hat es Sönke Wortmann in »Deutschland. Dein Selbstporträt« überhaupt nicht abgesehen. Keine Schlüssellochperspektive, keine Peinlichkeiten, keine billigen Lacher. Entstanden ist der Film nach dem Vorbild von »Life in a Day«, den die Brüder Scott produzierten: 80 000 Menschen aus 190 Ländern schickten ihren Film vom 24. Juli 2010 ein. Kevin MacDonald hat das Material montiert zu einem der größten YouTube-Hits.
In Deutschland war der Stichtag der 20. Juni 2015, aufgerufen haben Prominente und Semiprominente wie Sandra Maischberger, Armin Rohde, The BossHoss oder Katharina Witt. Drei Fragen wurden gestellt: Was macht dich glücklich? Wovor hast du Angst? Und: Was bedeutet Deutschland für dich? Life in a German day: Eine solche Momentaufnahme enthält immer auch etwas Banales, so wie das Leben ja auch voller Banalitäten steckt. Aber Sönke Wortmann hat das Material geschickt rhythmisiert, lässt auf schnell montierte Sequenzen, die leider oftmals aufdringlich musikalisch unterlegt sind, ausführliche Passagen folgen. Sie erzählen kleine Geschichten, mitunter lustig, manchmal auch berührend. Viel ist von Krankheiten in diesem Film die Rede. Einmal erzählt ein Autofahrer seine Werkstatt-Malaisen in die Kamera, sicherlich der humoristische Höhepunkt des Films. Und erschütternd wirken die Erzählungen des rollstuhlfahrenden Justizvollzugsbeamten, der sich keinen schöneren Arbeitsplatz vorstellen kann als den in seiner JVA in Kassel.
Einmal sagt ein Flieger, dass er zwar nicht stolz sei auf Deutschland, aber froh, in Deutschland zu leben. Aber das ist auch eines der wenigen ausführlichen Statements über die Bedeutung von so etwas wie Nation. Man darf sich von diesem Film keine schlüssigen Antworten erhoffen wie bei einer Meinungsumfrage. Wenig bis gar nicht kommen auch Parallelwelten vor, weder migrantische noch subkulturelle Szenen. Aber vielleicht fühlten die sich ja von Katharina Witt nicht angesprochen.
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