Kritik zu Ich gehe jetzt rein

© Peripher Filmverleih

2008
Original-Titel: 
Ich gehe jetzt rein
Filmstart in Deutschland: 
20.11.2008
L: 
73 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Vor dreizehn Jahren hat uns die Regisseurin Aysun Bademsoy die Mädchenfußballmannschaft Agrispor vorgestellt. Jetzt hat sie fünf der jungen Frauen wieder aufgesucht und porträtiert sie einfühlsam

Bewertung: 4
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In ihrem Dokumentarfilm »Agrispor – Mädchen am Ball« stellte Aysun Bademsoy 1995 eine Gruppe türkischer Mädchen vor, die sich mit ihrer Fußballmannschaft anschickten, die Berliner Landesliga zu erobern. Der Film, der unter anderem auf der Duisburger Filmwoche mit Erfolg lief, bediente nicht das Klischee der unter den traditionellen Lebensvorstellungen der Eltern leidenden Mädchen; er fragte vielmehr nach den Träumen seiner Protagonistinnen, zeigte, wie der Fußball auch ein Stück Selbstständigkeit für die Spielerinnen bedeutete – obwohl der Trainer des Teams auch als Bewacher fungierte.

1997 hat Bademsoy die Frauen wieder aufgesucht, in »Nach dem Spiel«, und 2007 für ihren jüngsten Film noch einmal. Die schwierige Stellung der Mädchen zwischen Familienkontrolle und Emanzipation existiert zwar nicht mehr, aber einfacher scheint es eigentlich für die fünf Frauen auch nicht geworden zu sein. »Ich habe einen deutschen Pass, ich fühl mich nicht als Türkin, aber ich bin Türkin, weil ich von den Deutschen als solche behandelt werde.« Wie in ihrem ersten Film stellt Aysun Bademsoy auch hier eher behutsam die Fragen nach Erfahrungen von Assimilation und Ausgrenzung, nach Emanzipation und Identität.

Von den Träumen von einst ist nicht viel geblieben, und so hat »Ich gehe jetzt rein« an manchen Stellen auch den Charakter eines melancholischen Rückblicks – Ausschnitte aus den beiden ersten Filmen sind einmontiert. Zwei haben ihren Traum wahrgemacht und geheiratet, aber wenn man Nalans Mann über Türken und Deutsche, die Tradition und die Ansprüche an seine Tochter reden hört, meint man, dass sich seit den Tagen der Agrispor- Mannschaft wenig geändert hat. Aber charmanter, das sind die Väter vielleicht doch geworden.

Es sind keine Aufsteigerbiografien, die die fünf der Kamera erzählen; es sind Lebensgeschichten mit Brüchen. Arzu trainiert für einen Marathon, dass sie harte Zeiten hinter sich hat, deutet sie an. Türkan hat sich mit Ein-Euro-Jobs durchs Leben geschlagen, hat sich von ihrem Mann getrennt und zieht ihre Tochter allein groß; am Ende des Films wird sie ein Praktikum anfangen, um sich neu zu orientieren. Nazans Bruder wurde vor Jahren erschossen, wegen Drogengeschäften wahrscheinlich. Die Einzige, die noch dem Fußball verbunden bleibt, ist Safiye, die ehemalige Mittelstürmerin, die sich mit Kellnerjobs durchgeschlagen hat und als Trainerin wieder eine Frauenmannschaft betreut.

Was genau den Frauen an Schicksalsschlägen widerfahren ist, enthüllt der Film nicht wirklich. So genau man das als Zuschauer manchmal wissen möchte, so zeigt es doch genauso jenen Respekt vor den Menschen, der der dokumentarischen Form gerade im Fernsehen heute abhandengekommen ist. Man merkt, dass zumindest drei von ihnen wieder in einer ähnlichen Situation sind wie 13 Jahre zuvor: Sie werden für ihre Selbstachtung und ihren Stolz kämpfen müssen. Und da passt es auch, dass der Film damit endet, dass die Freundinnen von einst sich dort wiedertreffen, wo alles begonnen hat: auf dem Fußballfeld. Oder, diesmal: am Rande.

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