Oscars 2021
Diese Woche ging das längste Oscarrennen der Filmgeschichte mit der wohl merkwürdigsten Verleihungszeremonie und einigen historisch zu nennenden Preisträgern zu Ende. Nachher ist man immer schlauer, viel hatten wir spekuliert über mögliche Gewinner und tatsächlich gab es am 25. April ein paar Überraschungen. Der große Favorit des Abends zumindest setzte sich klar durch, »Nomadland« wurde als bester Film ausgezeichnet, mit Chloé Zhao erhielt zum zweiten Mal eine Frau den Regiepreis (und damit erstmals eine Nicht-Weiße), Frances McDormand ihren dritten Oscar als beste Hauptdarstellerin. Als sicher galten im Endspurt auch die Gewinner der Nebenrollen-Oscars, Daniel Kaluuya für »Judas and the Black Messiah« und Yuh-Jung Youn in »Minari«. Der Animations-Oscar ging an den nahezu konkurrenzlosen »Soul«, der auch für den besten Score ausgezeichnet wurde. Den Preis für den besten internationalen Film nahm sehr verdient Thomas Vinterberg für »Der Rausch« entgegen, der den Preis sichtlich bewegt seiner tödlich verunglückten Tochter widmete (siehe auch unser Interview).
Auf der sozial distanzierten Bühne in einer Bahnhofshalle war viel von Diversität die Rede, es war neben der Pandemie und den besorgniserregenden Umwälzungen in der Filmindustrie das dominierende Thema des Abends, und der gute Wille war ebenso zu spüren wie die Unsicherheit so mancher Presenter, dabei ja alles richtig zu machen. Emerald Fennells feministische Rachekomödie »Promising Young Woman« passte da gut ins Bild und wurde für das beste Originaldrehbuch ausgezeichnet, auch wenn sich Hauptdarstellerin Carey Mulligan der »Nomadland«-Übermacht geschlagen geben. Warum allerdings beim Dokumentarfilmpreis ausgerechnet »Mein Lehrer, der Krake« der Vorzug gegenüber einer starken Konkurrenz gegeben wurde, zu der Kollektiv: »Korruption Tötet«, »Time« und »Sommer der Krüppelbewegung« gehörten, wird dagegen ein Rätsel in der langen Liste merkwürdiger Oscar-Entscheidungen bleiben.
Das Nachsehen hatten die Streamingdienste, denen ein erdrutschartiger Siegeslauf prophezeit wurde angesichts geschlossener Kinos und verschobener Filmstarts. Doch am Ende entschieden sich die Academy-Mitglieder doch oft für einen Studiofilm und setzten damit auch ein Zeichen der Solidarität mit einer sich rasant wandelnden Branche, an deren Zukunft auch die der Wahlberechtigten selbst hängt. Die Verlierer waren damit Filme wie David Finchers Biopic »Mank«, der zehnmal nominiert mit zwei Preisen für Kamera und Ausstattung abgespeist wurde und Alan Sorkins Bürgerrechtsdrama »The Trial of the Chicago 7«, der mit sechs Nominierungen in wichtigen Kategorien ins Rennen ging und komplett übergangen wurde. Auch zahlreiche weitere nominierte Filme gingen leer aus, darunter »One Night in Miami«, »Borat: Anschluss Moviefilm«, »Neues aus der Welt«, »Da 5 Bloods«, »Der weiße Tiger« und »Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga«. Ganz abgesehen von herausragenden Werken wie Kelly Reichardts »First Cow« oder Eliza Hittmans Abtreibungsdrama »Niemals Selten Manchmal Immer«, die erst gar nicht nominiert wurden. Technische Trost-Preise immerhin gingen an »Sound of Metal« (Ton) und Christopher Nolans »Tenet« (Visual Effects).
Eine letzte große Überraschung gab es ganz zum Schluss, wohl auch für das Team um Zeremonienregisseur Steven Soderbergh, die den Preis für den besten Hauptdarsteller als Finale setzen, offensichtlich um den Abend mit der erwarteten Dankesrede von Chadwick Bosemans Witwe für dessen Leistung in »Ma Rainey's Black Bottom« emotional ausklingen zu lassen. Es kam anders als erwartet, Anthony Hopkins wurde für seine Rolle als dementer Vater in Florian Zellers Kammerspiel »The Father« (auch Oscar für bestes adaptiertes Drehbuch) ausgezeichnet. Da Hopkins nicht anwesend war und ein Zoom-Call aus dem Landsitz in Wales von den Produzenten wohl abgelehnt wurde, endete die Veranstaltung recht abrupt. Über die Wahl Hopkins selbst mag so manche*r enttäuscht sein, weil trotz sehr deutlicher Anerkennung von People of Colour in den Nominierungen beide Hauptdarstellerpreise an Weiße gingen. Es zeigt jedoch auch, dass sich bei aller berechtigter Feier der Vielfalt an diesem Abend die Akademiemitglieder trotz identitätspolitischer Ideale schlicht für eine herausragende Schauspielleistung entscheiden, weißer alter Mann hin oder her. Davon können wir uns hoffentlich bald selbst ein Bild machen. Im Kino.
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