04/2010

In diesem Heft

Filmkritik

Mit viel Zärtlichkeit für seine beschädigten Helden und leisem Humor entspinnt Noah Baumbach in seinem vierten Film eine verhalten-zauberhafte Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die sich nur widerwillig in ihrem Leben zurechtfinden
Malmö, zu Beginn des 20. Jahrhunderts: aus ihrem Alltag als Mutter mit trinkendem Ehemann flieht Maria Larsson in die Kunst der Fotografie. Altmeister Jan Troells neuer Film ist vorhersehbar, aber in der Inszenierung von Marias kleinen Fluchten berührend
Drei junge Patienten einer psychiatrischen Klinik – die magersüchtige Marie, der zwangsneurotische Alexander, und der am Tourette-Syndrom leidende Vincent – erleben ihre Flucht über die Alpen Richtung Meer als abenteuerlichen Befreiungsakt
Der Versuch aus der familiären Routine auszubrechen, endet für ein Vorstadtehepaar in einem Desaster. »Date Night« ist eine klassische Verwechslungskomödie für das breite Publikum. Solides Amüsement auf heruntergekurbeltem Niveau
Drei Cops auf Brooklyns Straßen, drei Schicksale, die Antoine Fuqua zu einer gewaltgesättigten, episodischen Cop-Krimi-Großstadtdschungel-Oper formt. Auch wenn manche Verlaufslinien der Schicksale in »Gesetz der Straße – Brooklyn's Finest« allzu vorhersehbar gezeichnet sind, gelingt ihm ein packendes Drama, das vor allem durch seine brillanten Darsteller (Richard Gere, Don Cheadle, Ethan Hawke, Wesley Snipes) besticht
Eine romantische Action-Komödie zwischen New York und Atlantic City. Trotz einiger schöner Ideen kann sich die Chemie zwischen Jennifer Aniston und Gerald Butler in »Der Kautions-Cop« nicht entwickeln. Jede Subtilität droht in der Mainstreammechanik des Films verloren zu gehen
Ein bewegender Film über Flüchtlinge aus dem Nordkaukasus, über ihre Ängste und Hoffnungen und die völlig überforderten Zielländer. »Kein Ort« stellt die Frage nach politischem Asyl hinsichtlich seiner Machbarkeit und zeigt, dass Gesetze und Verordnungen nichts mit der Wirklichkeit der Menschen zu tun haben
Nach dem mysteriösen Tod seiner Frau und seiner kleinen Tochter bei einem Polizeieinsatz gegen Demonstranten sinnt ein Arbeiter in Teheran auf Rache. »Zeit des Zorns« ist ein gleichermaßen verhalten wie verrätselt erzählter Film, der die gegenwärtige Situation im Iran eindringlich einfängt
Mads Mikkelsen und Anna Mouglalis als »Coco Chanel & Igor Stravinsky« treten unter der Regie von Jan Kounen im Paris der Belle Époque in einen mühsam herbeigezwungenen Liebesreigen
Wie jugendliche Gewalttäter wieder in die Gesellschaft finden können: Gerardo Milszteins Dokumentarfilm »Friedensschlag« wirbt für ein unkonventionelles Resozialisierungsprojekt
»Wenn man aus dem Kino kommt, überrascht einen nichts. Alles kann mit der größten Selbstverständlichkeit passieren«, heißt es einmal in Alain Resnais' neuem Film »Vorsicht Sehnsucht«. Er verrät eine Erzählfreude, die ihren eigenen, skurrilen Regeln folgt, in die er seine Zuschauer aber gern einweiht
In seiner dritten Oscar-Wilde-Verfilmung »Das Bildnis des Dorian Gray« tritt Oliver Parker den Beweis an, dass diese Geschichte in den Zeiten von Jugend- und Schönheitswahn moderner denn je ist, und versucht zugleich die geschliffenen Worte des Autors mit den Mitteln des computerverstärkten Horrorfilms auch einem jüngeren Publikum nahezubringen
In »Blues March«, seinem Porträt einer US-Jazzlegende, erinnert Malte Rauch an den wenig bekannten Rassismus in der US-Armee und ergänzt sowohl Militär- wie Musikgeschichte um ein bedenkenswertes und erheiterndes Kapitel
Jessica Hausner kreist mit »Lourdes« in realistischer Manier das Unerklärbare ein, zeigt es im Umfeld der Pilger und ihrer Betreuer, die sich als ganz normale fehlerhafte Menschen aufführen und auf ihre Art den ganzen Rummel infrage stellen
Ein starkes Debüt: Lancelot von Nasos Irakdrama »Waffenstillstand« konzentriert sich auf die Folgen des Krieges für die Menschen. Das intensiv spielende Ensemble lässt keine Wünsche offen
Modemacher Tom Ford verfilmt in »A Single Man« Christopher Isherwood als sehnsüchtig-melancholische Eloge auf die Liebe und die Schönheit des Lebens
Zwei Schwestern und die Widrigkeiten des Alltags ganz normaler Mittelklassegroßstädter um die Anfang dreißig: »Beeswax« ist ein schön beobachteter und hinreißend komischer Film, der nie den Anspruch hat, ein Generationenporträt zu sein. Andrew Bujalski ist die neue Hoffnung des US-Independentkinos
Männer tun sich schwer, zu ihren Gefühlen zu stehen. In der schwulen Liebesgeschichte »Ander« von Roberto Castón ringt sich der baskische Bauer am Ende zu einem ungewöhnlichen Arrangement durch
Um der Ereignislosigkeit seines Lebens zu entkommen, beschließt ein amerikanischer Schüler, auch ohne Superkräfte ein Superheld zu werden. »Kick-Ass« ist ein wilder Mix aus Teeniekomödie und hartem Actionkino in der sich unterdrückte Teenagerängste in heftigen Gewaltausbrüchen entladen
Zwei junge Pärchen werden während eines Urlaubs in einem einsamen Haus im Schwarzwald von einer manipulativen Macht heimgesucht: »Black Forest« ist ein solide gespielter deutscher Gruselthriller, der an einer wirren Story und einer ungelenken Inszenierung krankt
Der Low-Budget-Produktion »Neukölln unlimited« gelingt es, eine Familie aus dem Berliner Brennpunkt Neukölln sachlich und ohne Pathos zu begleiten. Man ist von den Youngstern sofort begeistert, weil sich dem Zuschauer ihr Lebenshunger und ihr Optimismus schnörkellos und direkt vermitteln – unlimited!
Von Fatih Akins Corazon-Film koproduziert: Beeindruckend, was der junge Berliner dffb-Absolvent Miraz Bezar in seinem selbstfinanzierten Spielfilmprojekt »Min Dît« zum türkischen Kurdistankrieg auf die Beine stellt
Für seine Version des subversiven Kinderbuchklassikers »Alice im Wunderland« opfert Tim Burton die Absurdität des Originals leider einer schlüssigen Blockbusterlogik. Aber was die gesamte visuelle Gestaltung angeht, seine Figuren und ihre Besetzung, führt er den Zuschauer tatsächlich in ein – dreidimensionales – Wunderland
Großartiges Regiedebüt der holländisch-polnischen Regisseurin Urszula Antoniak um eine junge Frau, die es auf der Flucht vor ihrem alten Leben in das einsame Landhaus eines Witwers verschlägt. Eine Liebeserklärung an das Alleinsein zu zweit
Atom Egoyan spielt in »Chloe«, seinem Remake des Anne-Fontaine-Films »Nathalie«, bieder mit Vorstellungen von Erotik, die durch lange Ehejahre verhärtete bürgerliche Frauen hegen sollen, die aber auch ganz gut zu altmännerräudigen Regisseuren passen

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