Kritik zu Coco Chanel & Igor Stravinsky

Trailer englisch © Sony Pictures Classics

2009
Original-Titel: 
Coco Chanel & Igor Stravinsky
Filmstart in Deutschland: 
15.04.2010
L: 
132 Min
FSK: 
6

Was braucht es, um eine Beziehung zwischen zwei berühmten Menschen zur »großen Liebesgeschichte« zu erklären? Jan Kounen versucht es in seinem Biopic über die Modelegende und den Komponisten mit zeitgenössischem Design im Paris der Belle Époque in einen mühsam herbeigezwungenen Liebesreigen

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Schwarz die Fensterrahmen, weiß das Mauerwerk. Schwarz sind die Zierleisten auf den weißen Türen, schwarz-weiß auch die Muster der Tapete. Weiß ist das neue Kostüm mit schwarzen Knöpfen, manchmal ist es auch umgekehrt. Und so geht es immer weiter, schwarz, weiß, schwarz, weiß bis zur Tastatur des Klaviers, auf die ein verzweifelter Igor Stravinsky eindrischt, dessen Größe das Paris der 20er Jahre erst noch erkennen muss. Wenn die Farbgebung die beiden Akteure nicht verbindet, ist es Coco Chanels Blick, der immer brennen soll, als gelte es, diese Romanze in jedem Moment neu zu befeuern. Die legendäre Modeschöpferin begegnet dem Komponisten bei der Uraufführung von »Le sacre du printemps« 1913 das erste Mal – mit ebensolch fiebrigen Augen und bebender Brust. Die Premiere endet im Skandal. Sieben Jahre später begegnen sich der Komponist und die Modezarin wieder. Chanel ist jetzt so wohlhabend wie mondän und für eine Frau in ökonomischer wie sexueller Hinsicht provokant ungebunden. Sie holt den verarmten Exilrussen samt Kindern und einer schwindsüchtigen Gattin in ihr Anwesen bei Paris.

Moderne Musik und unbunte Farben, das ist auch schon alles, was die beiden hier unter der Regie von Jan Kounen zusammenzwingen soll. Und so schillernd die tatsächlich amtierende Chanel-Muse Anna Mouglalis als historische Coco Chanel auch aussieht, die legendäre Affäre zwischen ihr und Stravinsky wirkt ab dem ersten Bild bloß behauptet. Immer wieder sehen wir die beiden Menschen im Raum und nichts passiert. Von verbindenden Vibrationen oder dem Magnetismus der künstlerischen Konzepte raunt das Dekor und manches Stück auf dem Klavier. Doch aus den Körpern und ihrem Spiel raunt rein gar nichts zurück. Vor allem Mads Mikkelsen als frustriert verkannter Komponist enttäuscht und hat außer einem feuchten Hundeblick hinter der Nickelbrille nichts anzubieten.

Anders als Coco von Anne Fontaine, in dem Audrey Tatou die Modeschöpferin als kulleräugiges, vorlautes Mädchen verkitscht, hat die Erfinderin des bequemen Damenkostüms, der Frauenreithose und des zweifarbigen Pumps in Kounens Biopic noch nicht einmal eine Biografie. Der Film setzt alle Kenntnis vom Mythos Chanel voraus, entwickelt selbst keine Fallhöhe, kein Drama aus der Geschichte beider Leben oder ihrer widerborstigen Persönlichkeitsstrukturen heraus. Das führt zur absurden Situation, dass man Coco gesehen haben sollte, um »Coco Chanel & Igor Stravinsky« besser zu verstehen. Wenigstens erfahren wir beim Ersten etwas von der weiblichen Armut und den aufbrechenden sexuellen Zuordnungen in der Belle Époque. Steht Chanel bei Kounen am Ende als schwermütiges, aber skrupelloses Luder im Bild, das ohne Probleme eine todkranke Frau und mehrfache Mutter um ihren Gatten bringt, begreift man beim Vorläuferfilm wenigstens etwas von der inneren Logik und Modernität dieser Frau. So oder so, der wahre Chanel-Film, mit oder ohne Igor, muss erst noch gedreht werden.

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