Kritik zu Nothing Personal
Alleinsein bedeutet nicht unbedingt, dass man einsam ist: Die holländisch-polnische Regisseurin Urszula Antoniak führt in ihrem Film einen Eremiten mit einer Vagabundin zusammen. Beide haben ihre Ungeselligkeit zum Lebenskonzept erhoben
Keine persönlichen Fragen – das ist die Übereinkunft zwischen der jungen Frau und Martin. Sie arbeitet in seinem Garten und kümmert sich um den Haushalt, er gibt ihr Essen und gewährt ihr Unterschlupf. Jeder Versuch der Kontaktaufnahme wird von ihr rabiat zurückgewiesen. »Nothing Personal«, das Regiedebüt der polnischen Regisseurin Urszula Antoniak, hält sich ebenfalls streng an diese Abmachung. In knapp neunzig Minuten erfährt man kaum etwas über die beiden Hauptfiguren. Bei aller Intimität (zwei Menschen in einem einsamen Haus, scheinbar am Ende der Welt) stellt sich eine Distanz ein, die Antoniak formal niemals aufzulösen versucht. Ihre Bilder sind extrem zurückgenommen, sie strahlen eine ans Osteuropäische erinnernde Strenge aus: Landschaftsaufnahmen der irischen Küste, das einfache Leben des Witwers Martin, der von dem lebt, was das Land hergibt (seine einzigen Beschäftigungen scheinen seine Bücher, der Garten und Fischfang zu sein), der Wind, der über die weiten Felder streicht. Selbiges gilt auch für das Spiel von Stephen Rea und der Entdeckung Lotte Verbeek, die letztes Jahr in Locarno eine Auszeichnung als beste Darstellerin erhielt.
Am Anfang ist die junge Frau in ihrer leeren Wohnung zu sehen. Vom Fenster aus beobachtet sie, wie Passanten in ihren Habseligkeiten wühlen, die sie an den Straßenrand gestellt hat. Dann bricht sie auf, eine Flucht, wie es zunächst scheint. Aber je länger der Film andauert, desto deutlicher wird, dass »Nothing Personal« weniger von Einsamkeit handelt als vom Alleinsein. Auch Martins Eremitentum ist freiwillig, persönliche Umstände haben ihn an diesen Punkt seines Lebens gebracht. Dieser Lebensentwurf ist es, der die Frau so fasziniert. Ihrer Umwelt steht sie nach einem Schicksalschlag abweisend, teilweise feindselig gegenüber. Martins Refugium gibt ihr einen Ort, an dem sie ganz bei sich sein kann. Der Mann ist zunächst nur ein Störfaktor. Erst langsam realisiert sie, dass sie im Grunde Geistesverwandte sind.
Der Film hält diesen introspektiven Ton durch, selbst als sich die beiden verlorenen Seelen zusammenzuraufen beginnen. Ihre zögerliche Annäherung setzt Antoniak respektvoll und ohne Klischee in Szene; ein Regelverstoß bringt die Sache ins Rollen. Zur Strafe für eine persönliche Frage muss er ihr ein Lied singen – »Psychobilly Gothic«, wie er es nennt. Später revanchiert sie sich mit einem Lied aus ihrer Kindheit, aber da hat die Abmachung schon keine Gültigkeit mehr.
»Nothing Personal« ist wie ein Liebesfilm ohne das übliche romantische Beiwerk. Er beschreibt mit viel Sinn für kleine Gesten ein Lebenskonzept und die fast wortlose Hingabe zweier Menschen an diese Form des Zusammenlebens. Es ist ein ätherisches Ideal von Romantik, das die Frau kurzzeitig auch tatsächlich mit Liebe verwechselt. Antoniak aber vertraut ihrem Konzept bis zum Ende, was auf Zuschauer mitunter sehr spröde oder gar verstörend wirken könnte. Es gelingt ihr aber, den fragilen Gefühlszustand zweier Menschen in eine emphatische und gleichermaßen offene Filmsprache zu übertragen.
Kommentare
was ist mit Martin passiert, er war auf einmal weg ?
Habe den Film" Nothing Personal" gesehen und ihn als wertvoll empfunden.Jedoch habe ich nicht begriffen, was aus Martin geworden ist. Können Sie mir bitte diese Frage beantworten
Er ist gestorben.
Er ist gestorben.
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