Kritik zu Zu scharf, um wahr zu sein
Seit die guten alten Standesunterschiede nicht mehr zählen, müssen sich Komödien neue Hindernisse ausdenken, die die romantische Liebe zu überwinden hat. Hier zum Beispiel das Persönlichkeitsranking auf der Skala von »eins« bis »zehn«
Wie viel ein Titel doch verrät: »Zu scharf, um wahr zu sein« – da weiß man doch irgendwie gleich, dass hier keine Ambitionen fürs Nachleben in der Filmgeschichte gehegt werden. Was in bestimmten Stimmungslagen zum Kinogang ja eher ermutigt als davon abhält. Außerdem heißt es doch so schön, man solle ein Buch nicht nach dem Einband beurteilen, und »Zu scharf, um wahr zu sein« erfüllt zumindest ein Versprechen seines zeitgeistigen Titels: Man kann aus diesem Film eine Menge über den Zeitgeist erfahren.
Wie viele Liebeskomödien der letzten Jahre bezieht »Zu scharf, um wahr zu sein« seine Grundidee aus dem Umfeld der Psycho- und Beziehungsratgeber, von dort also, wo Männer angeblich vom Mars und Frauen von der Venus kommen. Dort wird paradoxerweise auch die Erkenntnis verbreitet, dass Mann und Frau, so sie zusammenfinden wollen, sich möglichst ähnlich sein sollten. Was früher vor allem auf gesellschaftliche Kategorien wie »finanzieller Hintergrund« angewendet wurde, gilt heute in erster Linie für die Attraktivität des Einzelnen. Da spätestens seit Blake Edwards' Komödie »10« (1979) auch der Europäer mit dem amerikanischen Ratingsystem vertraut gemacht wurde, lässt sich das auf die griffige Formel bringen, dass ein Mann, der es auf maximal fünf Punkte bringt, bei einer Frau mit perfekten zehn niemals landen kann. Wie man in »Zu scharf, um wahr zu sein« mehrfach erklärt bekommt, sind Verbindungen nur im +/-2-Bereich möglich. Womit wir den Zeitgeist schon beim Schopfe hätten: Dudley Moore, der seiner Bo Derek im erwähnten Blake-Edwards-Film bekanntlich eine glatte 11 gibt und es selbst nach heutigen Kriterien wohl auf kaum mehr als großzüge 7 bringen würde, waren solche Überlegungen noch völlig fremd.
Für die jungen Menschen in ihren 20ern, um deren Glück es in »Zu scharf, um wahr zu sein« geht, haben diese Regeln den Status von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dieser Ernst ist es, dem die Komödie ihre nötige Fallhöhe verdankt. Kirk (Jay Baruchel) ist ein klassischer Loser, also höchstens eine 5: Nicht nur, dass es ihm an Antrieb mangelt, seinen öden Job bei der Flughafensecurity aufzugeben, um seinen Traum von einer Pilotenkarriere zu verfolgen, er trauert auch noch immer der Freundin hinterher, die ihn vor Jahren verlassen hat. Entsprechend steht es um sein Selbstbewusstsein. Dass es eine Frau wie Molly (Alice Eve), blond, vollbusig und beruflich erfolgreich, mithin eine perfekte 10, auf ihn abgesehen haben könnte, hält er für so ausgeschlossen, dass ihre ersten Zusammenkünfte völlig entspannt verlaufen. Dann aber machen ihn seine Freunde darauf aufmerksam, dass diese Molly offenbar eine, wenn auch schwer erklärbare, Schwäche für ihn habe. Es beginnen die genreüblichen Peinlichkeiten und Turbulenzen, in denen die doch sehr starren amerikanischen Regeln, was öffentliches Auftreten, Sex und Intimpflege angeht, mit Aplomb durcheinandergewirbelt werden.
Was die Komödie bei aller Formelhaftigkeit sehenswert macht, ist ihr enthusiastischer B-Film-Charme, der vor allem von den unverbrauchten Darstellern ausgeht. Beide Hauptakteure wachsen einem ans Herz, und von fast allen Nebendarstellern hätte man gerne noch viel mehr gesehen
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