Kritik zu Woody Allen: A Documentary

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2012
Original-Titel: 
Woody Allen: A Documentary
Filmstart in Deutschland: 
05.07.2012
V: 
L: 
113 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Gibt es etwas, was sie schon immer über Woody Allen wissen wollten und in Wild Man Blues nicht erfahren haben? Nach Robert Weides umfassendem Dokumentarfilm bleiben kaum Fragen offen

Bewertung: 4
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 1)

Als Allen Stewart Konigsberg sich entschloss, seinem Vornamen das harmlos klingende Woody beizugeben, geschah dies schlicht, um der schüchternen Figur, die auf der Bühne stand und lustige Dinge erzählte, ein einprägsames Label zu verpassen. Das hat geklappt. Seit er 16 ist, verdient Woody Allen sein Geld damit, Witze wie diesen zu produzieren: »Was ist paradox? – Wenn jemand ein Buch über Atheismus schreibt und dann für seinen Erfolg betet.« Er schrieb erst für andere Autoren, für Kolumnisten von Tageszeitungen und Größen des Showgeschäfts wie Sid Caesar, irgendwann dann nur noch für sich selbst – und wurde in den USA zum bekannten Stand-up-Comedian mit vielen TVAuftritten.

Was gibt’s Neues, Pussy? (1965) sollte schließlich Allens Einstieg ins Filmgeschäft werden. Mit der Umsetzung seines Drehbuchs durch Clive Donner war er jedoch so unzufrieden, dass er sich vornahm, fortan nur noch selbst zu inszenieren. Warum er 1972 noch einmal zurücktrat und Herbert Ross die Regie von Mach’s noch einmal, Sam überließ, ist eine der wenigen Fragen, die übrig bleiben, wenn man Robert Weides ursprünglich für den TV-Sender HBO produzierten Dokumentarfilm gesehen hat, der hier in einer auf 113 Minuten gekürzten Version in die Kinos kommt. Man muss das nicht bedauern, denn Längen hat dieser Film nicht. Im Gegenteil, jede Einstellung, jedes Bild, jeder Satz wird zum Träger von Informationen. Die Chronologie der Ereignisse von Woody Allens Leben und Filmen schildert Weide umsichtig mit viel Gespür für Details.

Zwei Jahre hat Weide Woody Allen begleitet, hat dem scheuen Star seine Lebensgeschichte abgetrotzt und zugeschaut, wie ihm grandiose Zeilen wie »Immer wenn ich Wagner höre, habe ich das Bedürfnis, in Polen einzumarschieren« wie nebenbei und ohne große Mühe einfallen. Es ist fast putzig zuzuschauen, wenn Woody Allen seine Ideen auf gelbem Papier mit einer alten deutschen Reiseschreibmaschine schreibt, die verschiedenen Zettel dann zerschneidet, mit Heftklammern neu ordnet und den Rest in einer Schublade verschwinden lässt.

Filmausschnitte, Einblicke in Dreharbeiten, vor allem aber die Erinnerungen der vielen Beteiligten sind es, die diesen Film ausmachen. Und Robert Weide hat sie alle besucht. Diane Keaton, ehemals Geliebte und bis heute enge Freundin und viele weitere Stars, die in seinen Filmen für oftmals geringe Gagen auftraten, wie Josh Brolin, John Cusack, Scarlett Johansson, Martin Landau, Sean Penn oder Owen Wilson.

Berührend auch die Passagen mit den beiden alten Managern: Jack Rollins und dem inzwischen verstorbenen Charles H. Joffe, die stets dafür gesorgt hatten, dass Woody Allen seine zwei Millionen Dollar pro Film bekam und dann drehen durfte, wie er es sich vorstellte. Kein Studio, keine Produktion bekam Mitspracherecht, bis heute nicht. Wie oft er den Satz hören musste: »Ich liebe ihre Filme, vor allem die frühen, lustigen!«, auch das zeigt Robert Weide, nur um zu beweisen, dass Humor in allem eine tragende Rolle spielt. Und der Schritt von Der Stadtneurotiker über Manhattan zu Stardust Memories wird plötzlich logisch und nachvollziehbar. Ebenso wie die Identifikation mit dem europäischen Kino bis hin zur Londoner Trilogie Match Point, Scoop und Cassandras Traum.

Und dann gibt es natürlich den Bruch im Leben der Ikone, den Moment, auf den alle warten, die einen Film über Woody Allen sehen. 1992 fand Mia Farrow Nacktaufnahmen ihrer Tochter Soon-Yi, die sie einst zusammen mit ihrem früheren Ehemann André Previn adoptiert hatte. Woody Allen gestand das Verhältnis ein, es kam zu einer skandalträchtigen Trennung von Farrow und Allen. Heute sind Soon-Yi und Allen bald 15 Jahre verheiratet und haben ihrerseits zwei Adoptivkinder. Ohne Sensationslust, aber auch ohne allzu große Vorsicht geht Weide diesen Lebensabschnitt an, in dem Amerika um Woody Allens Karriere fürchtete, während er, sichtlich angeschlagen von der plötzlichen Öffentlichkeit seines Privatlebens, Ehemänner und Ehefrauen drehte – zum letzten Mal gemeinsam mit Mia Farrow. Man kann sich über die professionelle Distanz, die das ehemalige Paar vor der Kamera an den Tag legte, nur wundern.

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