Kritik zu Into the Wild

© Tobis

2007
Original-Titel: 
Into the Wild
Filmstart in Deutschland: 
31.01.2008
L: 
148 Min
FSK: 
12

In seinem vierten Spielfilm als Regisseur verfilmte Sean Penn eine Bestseller-Reportage von Jon Krakauer. Emile Hirsch spielt Chris McCandless, über dessen Tod in Alaska noch heute spekuliert wird

Bewertung: 4
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 1)

Chris McCandless starb Mitte August 1992 in der Einsamkeit der Wildnis Alaskas. Ein paar Wanderer und Jäger entdeckten die Leiche des 24-Jährigen über zwei Wochen später. Als Todesursache stellte man Verhungern fest. Im April war McCandless zu seinem einsamen Trip aufgebrochen, offenbar mit dem Ziel, sich ganz »vom Land« zu ernähren - er hatte als Vorrat nur fünf Kilo Reis mitgenommen. Ein Tagebuch, das man bei ihm fand, enthüllte in knappen Notizen Details seiner letzten Monate: Euphorie über die vermeintliche Ungebundenheit, Frustrationen bei der Nahrungsbeschaffung, kleine philosophische Ver­stiegen­heiten. Das Tagebuch offenbarte auch, dass er bereits im Juli den Weg zurück hatte antreten wollen, aber das eisige Bächlein, durch das er im April noch gewatet war, hatte sich in einen 30 Meter breiten reißenden Fluss verwandelt, den er nicht mehr zu überqueren wagte.

Der amerikanische »Wildnis-Journalist« Jon Krakauer schrieb noch im selben Jahr eine Reportage über Chris. Sein Bericht stieß auf unerwartet breite Resonanz. Keinesfalls nur positive: die einen bewunderten McCandless für seinen Mut, die anderen beschimpften ihn als leichtsinnig und dumm. Und es meldeten sich Menschen, die ihm begegnet waren. Denn McCandless war 1990, unmittelbar nach seinem College-Abschluss, »abgehauen«. Ohne sich von seiner Familie zu verabschieden, war er zu einer Tramperfahrt aufgebrochen. Krakauer recherchierte weiter und rekonstruierte zusammen mit den Menschen, die Chris in dieser Zeit gekannt hatte, dessen Route bis in die Wildnis und den Tod. 1996 unter dem Titel »Into the Wild« erschienen, wurde das Buch zum Besteller und erhitzte weiter die Gemüter mit der Frage, ob dieser Chris nun zu bewundern oder zu verachten sei.

Sean Penn bemühte sich bereits damals um die Rechte an der Verfilmung und nahm Kontakt zu Chris' Familie auf, die ihm schließlich so weit vertraute, dass sie ihn gewähren ließ - obwohl die Geschichte auch einiges Unangenehmes über sie preisgibt. Penn dankt es ihnen auf eigene Art: Er räumt in seinem Film ihrer tiefen Trauer viel Platz ein. William Hurt und Marcia Gay Harden spielen die Eltern, und ihre sorgenvollen und schmerzverzerrten Gesichter prägen den emotionalen Ton des Films. Es ist eine Trauer, die der Zuschauer bald schon teilt.

Überhaupt geht von In die Wildnis eine emotionale Wucht aus, der man sich nur schwer entziehen kann. Dabei hält sich der Film sehr genau an die Vorlage. Wie Krakauers Reportage erzählt Penn vom traurigen Ende her in wechselnden Zeitsprüngen von den vier Monaten in der Einsamkeit der Wildnis und den zwei Jahren des Tramperlebens.

Aber wo Krakauers Buch eine penible Befragung der Motive und Ursachen darstellt - von den Konflikten mit den Eltern über die Schwierigkeiten mit der Liebe bis zur Sucht nach dem Thrill des Risikos -, geht es bei Penn vor allem um die Darstellung eines gar nicht leicht zu fassenden Gefühls: jener diffusen Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit, nach Aufbrauch und Erleben, die die Quelle für große Taten, aber auch die Ursache für große Enttäuschungen sein kann.

Der im rasanten Aufstieg zum Star begriffene Emile Hirsch spielt Chris, und es gelingt ihm mit bedrückender Präzision, die Zwiespältigkeit seiner Figur auszudrücken: eine letztlich ungute Kombination aus Unsicherheit und hohen moralischen Ansprüchen, nach außen hin sanft und offen, nach innen oft von erschreckender Unerbittlichkeit.

Vom schwierigen Überleben - es gibt gar nicht so viel Wild in der Wildnis - schneidet der Film immer wieder zurück in die glück­liche Zeit der Tramper-Bekanntschaften: Da gibt es die abgeklärten Althippies, die ihn als Glücksbringer adoptieren, es gibt den von Vince Vaughn verkörperten Rabauken und Freidenker, und vor allem den Rentner Ron (Hal Holbrook), mit dem Chris eine ungewöhnliche und bewegende Freundschaft ­eingeht.

Ein Film kann seinen Helden nicht kritisch erörtern, wie Krakauer es in seinem Buch tut, aber er vermag etwas anderes: ein Stück seines Erlebens nachvollziehbar machen. Die Freude der Selbstermächtigung, als es ihm gelingt, mit dem Kanu den Colorado hinunterzukommen. Den Rausch des Losgelöstseins in der Wildnis. Der Stolz des erfolgreichen Jägers. Und schließlich die Angst um die nachlassenden Kräfte.

Meinung zum Thema

Kommentare

Absolut sehenswert!! Einer der besten Filme der Neuzeit und was ich persönlich sehr schätze, nach wahrer Begebenheit !!

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