Kritik zu Weinprobe für Anfänger

© Studiocanal

2022
Original-Titel: 
La dégustation
Filmstart in Deutschland: 
29.09.2022
L: 
92 Min
FSK: 
12

In dieser bittersüßen Komödie über Wein, die Liebe und die Narben der Vergangenheit präsentiert sich mit Isabelle Carré und Bernard Campan ein eingespieltes Team

Bewertung: 3
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Der Wein bei der Heiligen Messe schmeckt Hortense vorzüglich. Und so schaut sie nach dem Kirchgang bei Weinhändler Jacques vorbei. Der Versuch, den Altarwein zu identifizieren, ist der Beginn einer behutsamen Annäherung zwischen der freundlichen Mittvierzigerin und dem Hagestolz. Hortense bringt ihn dazu, eine Weinprobe anzuberaumen, die Jacques mit Unterstützung seines besten Freundes und seines neuen Gehilfen Steve arrangiert. Beim Fachsimpeln und Verkosten entdeckt Jacques nicht nur, dass Steve außergewöhnliche Geschmacksnerven besitzt. Wenn Hortense mit gelöster Zunge ihr Schnuppern und Schmecken beschreibt, bekommen ihre Worte einen anzüglichen Doppelsinn. So beginnt, beflügelt von Grand Crus, eine Liebelei, für die aber beide noch nicht wirklich bereit sind.

Es war naheliegend, dass Ivan Calbérac (»Frühstück bei Monsieur Henri«) die ­Adaption seines preisgekrönten Theaterstücks (2019) selbst in die Hand nahm. Seine Bühnenstars Isabelle Carré und Bernard Campan sind auch filmisch ein eingespieltes Team und verkörperten bereits 2001 im ergreifenden Drama »Claire – Sich erinnern an die schönen Dinge« ein leidensfähiges Paar. Die Filmversion aber wirkt, anders aber als es ihre Baudelaire'sche Botschaft verheißt – »Um nicht die gequälten Sklaven der Zeit zu sein, berauschet euch; mit Wein, mit Poesie oder mit Tugend« – eher ernüchternd.

Calbérac rahmt das Aufeinander-zu-Stolpern der beiden mit teils unstimmigen Nebenhandlungen, wobei ihm manche Plattheit unterläuft. Da ist einerseits der von Pleite und Tod bedrohte Jacques, der zu viel trinkt und, wie sich zeigt, einen ausreichend tragischen Grund dafür hat. Sein Versuch, abstinent zu werden, kollidiert mit Claires neu entdeckter Weinseligkeit. Als seien das noch nicht genug Probleme, wird er vom Sozialamt mit der Aussicht auf Steuererleichterung dazu gebracht, den jungen Kleinkriminellen Steve einzustellen. Auf der Bühne war Mounir Amamra ein charmanter Sidekick, im Film aber verheißt Steve so offensichtlich Ärger, dass man dem an so vielen Fronten verwundbaren Jacques seine Naivität nicht abnimmt. Auch Hortense – Isabelle Carré in ihrer Paraderolle als verhuscht daherkommende, doch starke Frau – hinterlässt Fragezeichen. Dass es diese unfrömmlerische »Betschwester« neben Kirche, Chor, Betreuung der Mutter und Bekochen von Obdachlosen schafft, mit Hingabe ihren Beruf als Hebamme auszuüben und zarte Bande zu Jacques zu knüpfen, ist zu viel des Guten. Szenen, in denen ihr verzweifelter Kinderwunsch zum Ausdruck kommen soll, sind weniger lustig als boshaft.

Nebenbei fungiert die bittersüße Komödie wie oft im französischen Kino als Werbung für den Drehort. Hier wird die Kleinstadt Troyes in der Champagne vorgestellt. Immer dann, wenn es um Weingenuss geht, wenn Hortense ein edler Tropfen nicht zu schade ist, um ihn den Obdachlosen, die sie betreut, zu kredenzen, oder wenn Jacques den Wein, der Hortense zu ihm geführt hat, beschreibt, kommt Baudelaire doch noch zu seinem Recht.

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