Kritik zu Vorwärts immer!
Regisseurin Franziska Meletzky wagt sich an eine Verwechslungskomödie mit Erich Honecker als Protagonisten und Ernst Lubitsch als Referenz
Ostalgie im Kino sollte knapp dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer und knapp zwei Dekaden nach »Sonnenallee« und »Good Bye Lenin!« langsam ausgedient haben, möchte man meinen. Gleiches könnte man von Verwechslungskomödien denken, in denen jemand durch die eine Tür rausgeht und der Doppelgänger zur anderen Tür hereintritt oder dergleichen. Solche Szenen kennt man nur noch von Boulevardtheaterbühnen oder aus der Kinogeschichte von Komödien mit Louis de Funès – oder aber dem Klassiker »Sein oder Nichtsein« von Ernst Lubitsch aus dem Jahr 1942. Genau jenes Meisterwerk scheint sich Franziska Meletzky in »Vorwärts immer!« zum Vorbild genommen zu haben – mit dem Unterschied, dass sie nicht die Nazidiktatur persifliert, sondern Honecker und das Stasiregime.
Jörg Schüttauf spielt diesen Honecker und vor allem dessen Imitator Otto Wolf. Der ist ein angesehener Staatsschauspieler und steckt gerade in der Generalprobe zu dem nicht genehmigten Stück »Vorwärts immer!«, in dem er als Honecker den Umbruch einläutet. Da erfährt Wolf nicht nur, dass seine Tochter Anne (Josefine Preuß) von dem Sohn seines verhassten Schauspielkonkurrenten Stein (Devid Striesow) schwanger ist, sondern auch, dass sie in den Westen rübermachen will. Das ist schon sehr witzig, wie Wolf als Honecker vor dem Bühneneingang mit seiner Tochter spricht und dabei von zwei Stasimännern bespitzelt wird, die ihn für den echten Honecker halten.
Wenig später erzählt ein Schauspielkollege, dass Honecker den Schießbefehl für die abendlichen Demos in Leipzig gegeben hat, dort, wo Anna ihre gefälschten Papiere bekommen will. Was also bleibt dem falschen Honecker anderes übrig, als den Schießbefehl wieder rückgängig zu machen? Da tapst Honecker alias Wolf in eine Sitzung des Zentralkomitees, das bereits kräftig an dessen Stuhl sägt, stolpert die Treppe hinunter und weckt selbst Margot Honecker (Hedi Kriegeskotte) mit einem innigen (Film-)Kuss aus ihrer verbitterten Strenge. Das klingt alles schwer nach Klamauk, ist es streckenweise auch. Trotzdem gelingt Meletzky eine durchaus amüsante Politkomödie mit ausgefeiltem Sprachwitz und der Portion Retro-Charme samt Trabi, Creme 21 und Udo-Lindenberg-Schallplatte, die ein solcher Film braucht.
Ganz leicht und doch nicht allzu lapidar webt sie bedrückende Aspekte der DDR-Diktatur ein: Selbst in Wolfs Ensemble sind die Schauspieler vor spitzelnden Kollegen nicht sicher, eigentlich kann niemand niemandem trauen. Erst beklemmend, dann lustig wird es auch, als Anne mit ihrem Freund Matti (Marc Benjamin) und dem Passbeschaffer August (Jacob Matschenz) auf der Landstraße von Schutzpolizisten angehalten wird und denen dann eine herzzerreißende Szene vorspielt. Und wenn August plötzlich von einer Stasimitarbeiterin eine Pistole an die Stirn gehalten bekommt, verfehlt auch das seine Wirkung nicht. Wer dann noch die Szene aus dem Lubitsch-Klassiker im Kopf hat, wird umso mehr Spaß an diesem amüsanten Film haben. Meletzky erhielt für ihre Arbeit Anfang des Jahres bereits den Bayerischen Filmpreis, ebenso Jörg Schüttauf für sein überzeugendes Doppelspiel als Honecker und dessen Imitator.
Kommentare
Vorwärts Immer
Ich fand den Film gut.
tränenpalast
daß man (hier vom reichstagufer) in den tränenpalast 1989 reinschauen und die kontrolle(n) beobachten konnte, ist mir neu.
aber der film hat schon einige höhepunkte: honecker sucht seine pantoffeln, zwei honeckers treffen sich am schrank, herrlich, oder die szene vor der zk-szene. gruß
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