Kritik zu Vom Bauen der Zukunft – 100 Jahre Bauhaus
Niels Bolbrinker und Thomas Tielsch reflektieren zum 100. Jahrestag des Bauhaus-Manifests über Geschichte und Gegenwart des Ideenprojekts
Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau!« Mit diesen Worten beginnt Walter Gropius sein Bauhaus-Manifest von 1919. Damit war die legendäre Kunstschule geboren, die Kunst und Handwerk zusammendenkt, den Menschen und die Gemeinschaft ins Zentrum rückt und das radikale, das utopische Denken fördert. Für das konservative Weimar war die Schule damals, das macht Niels Bolbrinkers und Thomas Tielschs Dokumentation Vom bauen der Zukunft deutlich, ein Schock. Da war plötzlich »die fleischgewordene Ruhestörung«, wie es einmal heißt.
Der Film ist Teil eines crossmedialen, zum Jubiläum realisierten Projekts. Die Filmemacher zeichnen einerseits die Geschichte der Schule nach: von den Anfängen in Weimar, der Idee des Zusammenlebens und der Gemeinschaft, die Gropius, Wassily Kandinsky oder Paul Klee formulierten, über den Umzug nach Dessau, die Vertreibung von dort nach Berlin durch die NSDAP und schließlich die Auflösung 1933 infolge der Nazidiktatur. Die Materialstudien von Johannes Itten klingen ebenso an wie Oskar Schlemmers Triadisches Ballett oder Gropius’ Baukastenprinzip aus vorgefertigten Elementen, das die Meisterhäuser in Dessau vorwegnahm.
Andererseits kontextualisieren die Regisseure den historischen Unterbau mit modernen Projekten und zeigen damit die Aktualität der Bauhaus-Ideen auf. Es wird zum Beispiel eine skandinavische Schule ohne Klassenräume vorgestellt, quasi die raumgewordene Freigeistigkeit. Spannend, gerade mit Blick auf aktuelle Wohnraumdebatten, sind die Projekte des Urban Think Tank. Das interdisziplinäre Designstudio fördert das soziale Miteinander in lateinamerikanischen Favelas, etwa durch wegen Platzmangel vertikal gebauten Sportanlagen, und lässt sich von den chaotisch gewachsenen Strukturen dort für den Städtebau im Sinne eines »Urban Design« inspirieren.
»Vom Bauen der Zukunft« schwelgt mit Pathos im Bauhaus-Spirit und zelebriert die Suche nach dem großen Zusammenhang zwischen Architektur, Gestaltung und Gesellschaft. Es ist ein Film über Fantasie und Utopie, über das »Think Big«, der selbst allerdings meist brav auf bekanntem Dokumentarfilmboden flaniert.
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