Kritik zu Vier Wände für Zwei
Bernabé Ricos hat das Theaterstück »100 m²« seines Freundes Juan Carlos Rubio verfilmt. Die scharfen Dialoge zwischen zwei Frauen aus zwei Generationen verfangen auf der Leinwand ebenso wie auf der Bühne
»Ich habe den Stock im Arsch, nicht in den Augen«, sagt die elegante Sara (Juana Acosta) zu dem unbeholfenen Immobilienmakler Óscar (Carlos Areces) bei dem Besichtigungstermin einer günstigen und großzügigen Wohnung in Sevilla mit schönem Blick. Der Haken lauert im Inneren. Denn die Wohnung wird erst dann wirklich frei, wenn die Vorbesitzerin gestorben ist. Eine alte Dame mit Herzproblemen, die Kette raucht und trinkt und sicher nicht mehr lange zu leben hat. Noch bevor Sara Lola (Kiti Mánver) getroffen hat, willigt sie in den Kauf ein. Einen Grund gibt es für die versierte Geschäftsfrau noch nicht, aber es könnte praktisch sein, über eine eigene Wohnung zu verfügen, sollte ihre achtjährige Ehe einmal in die Brüche gehen.
Dem Kinodebüt von Drehbuchautor, Schauspieler und Produzent Bernabé Rico sieht man seinen Ursprung auf dem Theater zwar noch an, doch die Spannung, die aus den scharfen und treffsicheren Dialogen entsteht, leidet darunter nicht. Das Stück »100 m²« stammt von Ricos Freund Juan Carlos Rubio. Er entwickelte es aus einer Immobilienanzeige, in der es um Wohnrecht auf Lebenszeit ging. Das Theaterstück war weltweit erfolgreich und wurde u. a. auch in Deutschland als »Hundert Quadratmeter« mit Beatrice und Judith Richter aufgeführt.
Der Film nutzt die Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, lässt die Kamera auf den gruseligen Blumentapeten verweilen, schaut Sara ins Gesicht, wenn Lola sagt, »das ist leider sehr lustig«, und zeigt behutsam, wie aus zwei gänzlich unterschiedlichen Frauen Freunde werden. Und der Komiker Carlos Areces wechselt dabei die Berufe wie sonst die Rollen, vom Immobilienmakler zum Bestatter, Krankenwagenfahrer und schließlich zum Portier. »Ein aussterbender Beruf«, meint Lola lachend und zieht an ihrem Joint, also genau richtig für ihn.
In diesem Dreipersonenstück, in dem hin und wieder Noch- und Ex-Ehemänner auftauchen, geht es um nichts weniger als die Fallstricke des Lebens. Oder um, wie Sara, mit John Lennon zu reden, darum »was uns im Leben passiert, während wir damit beschäftigt sind, andere Pläne zu machen«. »Vier Wände für Zwei« ist ein weiterer Film über eine Frauenfreundschaft, aber als solcher völlig eigenständig. Er lässt sein spanisches Umfeld hinter sich und wird in seiner ironischen Skurrilität universell. Das liegt vor allem an den großartigen Schauspielerinnen. Kiti Mánver wurde in Pedro Almodóvars »Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs« bekannt und ist seit 2017 im spanischen Serienphänomen »Haus des Geldes« zu sehen. Comedian Carlos Areces arbeitete in »Fliegende Liebende« mit Almodóvar zusammen, und Juana Acosta war nach zahlreichen internationalen Produktionen am ersten spanischsprachigen Film für Netflix, »7 Años«, beteiligt. Zwischen Witz und Tragik können wir hier zwei Frauen beobachten, die sich nichts schenken und gerade dadurch zu Freundinnen werden. Und irgendwann stellt sich die Frage nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten gar nicht mehr. Man ist einfach nur froh zuschauen zu dürfen.
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