Kritik zu Talking Money
Geld – in allen guten Banken und Sparkassen: Sebastian Winkels zeigt Beratungsgespräche aus aller Welt
Die Idee ist so einfach wie originell: Wo könnte man einen tiefen Einblick in eine Gesellschaft bekommen, ohne sich mühsam durch statistische Werte wie Durchschnittseinkommen, Gini-Index oder Wohnungspreise arbeiten zu müssen? Im vertraulichen Gespräch mit Bankberatern natürlich! Wenn es um Kredite geht, werden einerseits die Tatsachen auf den Tisch gelegt, andererseits treten auch die Manöver zutage, die sowohl die Berater als auch die Kunden anwenden, um zu bekommen, was sie wollen. Sebastian Winkels, der sich mit seinen Dokumentarfilmen »7 Brüder« und »Nicht alles schlucken« als Regisseur mit ganz eigenen Interessen und einer dazu passenden, intensiven Handschrift erwiesen hat, ist für »Talking Money« gewissermaßen einmal um den Globus gereist. Im Film gibt es Bank-Szenen aus Deutschland, der Schweiz, Italien, Pakistan, Benin, Bolivien, den USA und Georgien. Auf den ersten Blick überrascht, wie ähnlich es doch überall zugeht, wenn’s ums Geld geht.
Zugleich sind es sehr sprechende Details, in denen sich die Kreditvergabe in Neapel von der in Karatschi unterscheidet. Den italienischen Schuldnern merkt man eine reflexhafte Genervtheit im Umgang mit den Bankern an, während der pakistanische Geschäftsmann geradezu mit Ehrfurcht für seine Import-Ideen gelobt und schließlich sogar mit einem Geschenk bedacht wird. In Bolivien weiß die Marktverkäuferin zwar, wie viele Tausend Bündel Zitronen sie zu welchem Preis verkauft, aber die Multiplikation zur Errechnung des Umsatzes muss sie ihrem Gegenüber überlassen. Die wohlhabende Schweizer Bürgerin betont, dass sie mit ihrem Ehemann ein »Spendenkonzept« erarbeitet hat, mit dem sie etwas an die Welt »zurückgeben« möchte. Winkels schneidet in seinem Film die Szenen wie willkürlich durcheinander, die Information darüber, wo die einzelnen Beratungsgespräche stattgefunden haben, blendet er erst zum Schluss ein. Die Montage sorgt so für eine gewisse Kurzweiligkeit, nie bleibt man zu lange an einem Ort. Zugleich verhindert sie aber auch, dass man über die finanzielle Lage der Beobachteten und die Verhältnisse in ihren Ländern tatsächlich etwas Substanzielles erfährt.
Damit offenbart sich aber auch die Schwäche in der Umsetzung dieser wirklich guten Idee. Man möchte in jeder Situation eigentlich mehr wissen. Nicht nur, um welche Summen es geht – die Währungen werden nicht umgerechnet –, sondern auch über Zinssätze, Kontoführungen, Bewilligungsprozesse. Der globale Ansatz erweist sich als kontraproduktiv: Bevor man sich als Zuschauer auf die eine oder andere Person eingelassen hat, springt der Film schon weiter. Winkels geht es ganz offensichtlich nicht um die einzelnen Länder oder gar Personen, er möchte eine abstrakte Welt des Geldes porträtieren. Aber das wäre mit ein paar Stationen weniger vielleicht sogar besser gelungen. Denn erst aus dem Wissen um die individuellen Umstände kann sich das größere Bild ergeben. Wie im Fall des Georgiers, der ganz selbstverständlich enthüllt, das unter seinem Namen Kredite laufen, die von anderen abbezahlt werden – und als Hintergund zu solchen Informationen ein Land mit großer Diaspora aufscheint.
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