Kritik zu Sweet Disaster
Eine Finnin allein in Berlin: Laura Lehmus verwandelt mit einer Fülle bunter Ideen das Drama einer verlassenen Schwangeren zur märchenhaft bunten Feelgood-Komödie
Traum und Realität, die Illusion vom Glück und das unsanfte Erwachen in der Wirklichkeit. Wölkchen, Papierflieger, Luftballons, dann ein harter Schnitt in die Realität, auf eine vom Großstadtlärm umtoste Berliner Wohnung und einen positiven Schwangerschaftstest. Am Flughafen hat Frida (Friederike Kempter) den Piloten Felix (Florian Lukas) kennengelernt: »Ich heiße Frida«, sagt sie. »Felix«, erwidert er. Der allerdings trauert gerade seiner nach Boston abgereisten Freundin nach – eigentlich nicht die beste Voraussetzung für eine junge Liebe, aber die Dinge nehmen ihren Lauf.
Alles kein Problem, wäre Frida nicht schon 40 und dann auch noch unerwartet schwanger. Sie denkt sich, okay, eigentlich ganz schön. Er hält ein bisschen zu lange inne, als sie ihm die Botschaft bang überbringt. Doch dann nimmt er sich ein Herz, öffnet die Fenster der Altbauwohnung und entlässt mit dem freudigen Ausruf »Wir sind schwanger« ein Meer kleiner, runder, bunter 3D-Konfetti-Luftballons in den Himmel, lila, rosa, petrol, orange und grün, in schönster Farbharmonie. Doch es sind die Seifenblasen, die Frida bald unsanft mitten ins Gesicht zerplatzen. Sweet Disaster, süßes Unheil. Während sie einen Heiratsantrag erhofft, will er die Trennung einleiten, ihr gestehen, dass seine Ex zurückkommt, nach Deutschland, zu ihm. Immerhin, er will für seinen Fehltritt finanziell aufkommen.
Eine einfache Geschichte, die die in Finnland geborene Laura Lehmus als Spielfilmdebüt inszeniert hat, nach einem Drehbuch von Ruth Toma, die als Filmautorin so unterschiedliche Tonlagen wie »Kebab Connection«, »3096 Tage« oder »Der Junge muss an die frische Luft« bedient hat. Verlassene Frau, werdende Mutter, ganz allein, das könnte ein niederschmetterndes »Kitchen-Sink«-Drama sein, doch Laura Lehmus kommt von Animation und Design und lässt ihre Fantasie spielen. Mal fliegt Frida mitsamt ihren Einkaufstüten schwerelos durch die Luft, mal ist sie in bunte Wattewolken gepackt, jedes Desaster hat einen erlösenden Tagtraum als Pendant. Die Ausstatterin Mona Cathleen Otterbach hat ihre Wohnung zur lichten, bunten Oase in der Großstadtwüste gemacht. Und weil sich Frida in Berlin ganz allein durchschlagen muss, fern ihrer finnischen Familie, schickt die Drehbuchautorin ihr eine kleine, bunte Ersatzfamilie, drei fidele, kartenspielende Oma-Engel und ein technikteuflisches Nachbarmädchen (Lena Urzendowsky), die mit ihrer selbst gebastelten Drohne dabei hilft, den Schlüssel aus Fridas Wohnung zu angeln und damit später zur Komplizin bei ziemlich aberwitzigen Spionage- und Stalkingaktionen wird. Und weil die Seniorinnen »Baywatch« lieben, kommt irgendwann auch noch David Hasselhoff leibhaftig ins Spiel.
Mit einer Fülle bunter Ideen und origineller Einfälle lockert Laura Lehmus die autobiografisch gefärbte Geschichte auf, verwandelt das Drama in eine märchenhafte Feelgood-Komödie, die durchaus amüsant ist, aber auch immer wieder an den schönen Oberflächen hängen bleibt.
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