Kritik zu Supermensch - Wer ist Shep Gordon?
Mike Myers porträtiert in seinem ersten Dokumentarfilm einen guten Freund – die schillernde Figur des Managers und Impresarios Shep Gordon, der zahlreichen Talenten den Weg zum Ruhm geebnet hat
Im Jiddischen besitzt das Wort »Mensch« eine etwas andere Bedeutung als in der deutschen Sprache. Es beschreibt eine menschliche Qualität. Ein »Mensch« ist der Inbegriff von Integrität. Ein »Supermensch« verfügt demnach über Charaktereigenschaften, die in der Unterhaltungsbranche nicht unbedingt vorausgesetzt werden. Insofern ist der Manager und Impresario Shep Gordon in der Tat eine Ausnahmeerscheinung – wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was Künstler, Freunde und Verwandte in Mike Myers Dokumentation Supermensch – Wer ist Shep Gordon? zu erzählen haben. Da Gordon in Deutschland eher unbekannt sein dürfte, denkt man bei einer solchen Lebensgeschichte unwillkürlich an ein Mockumentary, zumal die Mischung von Interviewpartnern so divers ist, dass sie sich eigentlich kaum unter einem einzigen Leben subsumieren lassen: Sylvester Stallone, Michael Douglas, Alice Cooper, Willie Nelson, Sammy Hagar, Mick Fleetwood, Starkoch Emeril Lagasse und nicht zu vergessen der Regisseur selbst.
Myers trägt maßgeblich zur Legendenbildung bei, indem er dem Porträtierten viel Redezeit einräumt und damit wirklich keine Zweifel zulässt, dass Shep Gordon der netteste Mensch in Hollywood ist. Hollywood steht hier nicht nur stellvertretend für die Filmindustrie, sondern auch die Musikbranche der 60er Jahre. Gordons erster Kontakt war ein gewisser Vincent Furnier, ein mittelmäßig begabter Musiker, der kurz darauf unter den Fittichen des Autodidakten Shep Gordon als Schockrocker Alice Cooper eine ganz Elterngeneration in Schrecken versetzen sollte. »Einer meiner Professoren«, erzählt Gordon im Film, »erklärte mal, dass man eine Kultur auf drei Arten beeinflussen könne: durch Gewalt, Sex und Rebellion.« Alice Cooper vereinte alle drei Tugenden des Rock ’n’ Roll, und in einem ähnlichen Duktus des permanenten Exzesses verfährt auch Myers in der ersten Hälfte seines Films. Er liefert ein atemloses Potpourri aus furiosen Liveaufnahmen, hanebüchenen Schnappschüssen und, wenn gerade kein Originalmaterial vorhanden war, willkürlichen Filmausschnitten und bizarren Animationen wie aus Monty Python’s Flying Circus. Was Gordon zu erzählen hat, sprengt allerdings auch jede Vorstellung eines normalen Prominentenlebens. Myers kapituliert vor den irren Geschichten mit einem filmästhetischen Parforceritt.
Dass Supermensch dieses Tempo nicht durchhalten kann – wie natürlich auch Shep Gordon nicht seinen Lebenswandel –, ist da keine Überraschung. Gordon, der später noch die erste Produzentin Hollywoods ins Amt hob (eine Art weiblicher Harvey Weinstein, wie es einmal heißt) und nebenbei das Konzept der Fernsehkochs erfand, blickt nicht ohne Bedauern auf sein Leben auf der Überholspur zurück. Myers ist trotz aller Faszination für diese schillernde Figur eine sehr persönliche Hommage an einen guten Freund gelungen, der mit großer Demut seine Freundschaften und die glücklichen Umstände seines Lebens reflektiert. Eine seltene Mischung aus »Gonzo«-Kolportage und Bildungsroman.
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