Kritik zu Space Dogs
Mit Straßenkötern auf Augenhöhe: Elsa Kremser und Levin Peter erzählen in ihrem dokumentarischen Essay von herrenlosen Hunden im Moskau von heute, die gleichsam die Nachfahren von Laika, des ersten irdischen Lebewesens auf Weltraumflug, sein könnten
Sie ist nicht alt geworden, da oben im Weltraum; als Todesursachen vermutet werden Überhitzung und Stress. Wer wäre nicht gestresst, festgeschnallt in einer Raumkapsel und ohne jede Ahnung vom Woher, Wohin, Warum?
Während über ihr Geburtsdatum nur gemutmaßt werden kann, kennt man ihren Todestag genau: Am 3. November 1957 wurde sie um halb drei Uhr früh an Bord der Sputnik II ins All geschossen; sieben Stunden später übermittelte ihr Raumanzug keine Lebenszeichen mehr. Ihr kleiner Satellit aber blieb noch fünf Monate in der Umlaufbahn und umrundete die Erde 2570 Mal, bevor er beim Wiedereintritt in die Atmosphäre am 14. April 1958 über dem Karibischen Meer verglühte.
Die Weltraumhündin Laika, ungefragte Pionierin, Heldin wider Willen, ist die graue Eminenz im Hintergrund dieses filmischen Essays, die mythische Urahnin der Vierbeiner, von denen »Space Dogs« unter anderem handelt. Laika stammte aus Moskau, zumindest wurde sie dort eingefangen und ins Kosmodrom Baikonur verbracht. Ein schlichter Straßenköter also, keinem zugehörig und daher auch von niemandem vermisst. Ein Lebewesen, das man – also der Mensch – sich schnappen kann, um willkürlich mit ihm zu verfahren.
Eine Erzählerstimme, der man wohlig lauscht, stellt den Zusammenhang her zwischen Laika und den Hunden, die heute durch die Straßen Moskaus ziehen. Elsa Kremser und Levin Peter heben zwei Rüden heraus: der eine etwas älter, lahmend, schnell übel gestimmt, dann fletscht er die Zähne; der jüngere hat Schlappohren, Fellhosen an den Hinterläufen, einen hochbeinigen, federnden Gang und vertreibt sich die Zeit auch mal mit dem Auslösen von Autoalarmen und dem Zerbeißen von Luftballons. Was Hunde halt so machen.
Es habe eine Weile gedauert, so Kremser und Peter über die Dreharbeiten, bis sich ein Hunderudel kooperativ genug zeigte, um es mit der Kamera verfolgen zu können. Einer Kamera, die es vermittels eines speziellen Stabilisierungssystems erlaubte, in Augenhöhe der Tiere zu drehen. Manchmal ist diese Kamera so nah dran, dass sie wie ein weiterer Hund wirkt, durch dessen Augen man sieht, als ob man dazugehört. Anthropomorphisierende Anwandlungen werden einem jedoch zügig ausgetrieben; mit Moskowiter Straßenkötern ist eher nicht zu spaßen.
Also findet man sich wieder zurückgeworfen auf die Perspektive des Betrachters, der sieht, wie das Hundetier bei strömendem Regen kein trockenes Plätzchen findet. Und beobachtet, wie mit Hilfe dieser höchst kunstvoll geführten Kamera der Überlebenskampf einer ihm wesensmäßig fremden Kreatur dokumentiert wird. In einer menschengemachten Welt wohlgemerkt. Aus dieser Distanz holt einen dann wiederum die Stimme aus dem Off heraus, die das zwischenmontierte Archivmaterial erläutert, welches das Schicksal von Laikas Artgenossen im russischen Raumfahrtprogramm der späten 1950er Jahre beleuchtet; denn sie war nicht die Letzte, die den Boden unter den Pfoten verlor.
Eigentlich kommt diese Stimme aus dem Off wie von oben; sie scheint Sinn zu stiften im zunehmend unübersichtlicher werdenden Bedeutungsfeld, das sich zwischen Hund und Wissenschaft, All und Erde aufspannt. Gerne glaubte man, dass diese vertrauenerweckende Stimme die Stimme eines Märchenonkels sei, doch ist sie wohl eher die Stimme eines gelassenen Gottes, dem alle Kreatur gleichermaßen am Herzen liegt.
Gelassen? Gleichermaßen? Da fällt einem auf, dass der Mensch in der hier gezeigten Welt der Hunde als eine Art »Mad Scientist« erscheinen muss. Der Blick der Kreatur, den »Space Dogs« so wundersam nachvollzieht, ist weder begriffslos noch schließt er das Treiben der Menschen aus. Es bleibt ihm nur unverständlich – und verzichtbar. Dem gnädigen Gott an seiner Seite erscheint es ohnehin: vorübergehend.
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