Kritik zu Sophia, der Tod & ich

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Existenzielles Geplauder auf der Türschwelle zwischen Dies- und Jenseits: Charly Hübner adaptiert in seinem Spielfilmdebüt Thees Uhlmanns Roman als charmante Mischung aus Komödie, Großstadtmärchen und Roadmovie

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.5
3.5 (Stimmen: 2)

Dimitrij Schaad öffnet die Tür ungefähr genauso schluffig, wie er das schon in der Verfilmung von Marc-Uwe Klings »Känguru-Chroniken« tat. Nur dass er hier nicht Marc-Uwe, sondern Reiner spielt, und dass dieses Mal vor der Tür kein fröhliches Känguru steht und schnorren will, sondern ein bleicher Geselle namens Morten: »Ich bin dein Tod«, sagt er und: »Du musst jetzt mitkommen.« Drei Minuten soll er noch haben, um alles zu regeln. Reiner hält das natürlich erst mal für einen blöden Scherz und tatscht und kneift dem Fremden ungläubig im Gesicht herum. »Woran soll ich denn sterben?«, fragt er, als wolle er den Witzbold überführen: »Unentdeckter Herzfehler, Ader platzt, fertig«, informiert der sachlich. »Wie mein Vater«, stellt Reiner fest. Scheint also was dran zu sein an der ­irren Geschichte.

Ein Mann trifft seinen Tod, diese Geschichte haben von Fritz Lang bis Ingmar Bergmann schon viele Filmemacher erzählt. Jetzt hat sich Charly Hübner mit seiner zweiten Regiearbeit nach der Dokumentation »Wildes Herz« (2017) über die Band Feine Sahne Fischfilet den Erstlingsroman von Thees Uhlmann vorgenommen. Er und das Drehbuchautorenteam um Lena May Graf haben dem lockeren Lebensweisheitengeplänkel von Tomte-Sänger Uhlmann (der »Spiegel« konstatierte in seiner Rezension, der Text bewege sich »auf der Grenze zwischen Plauderei und Literatur«) nun mehr erzählerische Substanz und filmische Schauwerte verpasst. Das beginnt mit einer Rahmenhandlung, die ein bisschen wortkarges Kaurismäki-Flair auf die Dächer von Berlin zaubert. Da öffnet Erzengel Michaela nachts die Vorderklappe einer Imbissbude, und überirdisch gleißend weiß strahlt es in die Berliner Nacht. Auf dem Tresen verteilt sie statt Ketchup schwarze Auftragsbücher, und alsbald materialisiert sich aus dem Nichts eine kleine Armee schemenhafter Helfer. Darunter auch ebenjener Morten (Marc Hosemann), der bald darauf vor Reiners Tür stehen wird.

Dort wechselt der Film den Tonfall, wird zur Komödie über die Absurdität einer Begegnung mit dem Tod, die man ja auch seinen Mitmenschen irgendwie erklären muss.

Beispielsweise der resoluten Exfreundin Sophia (Anna Maria Mühe), die einigermaßen genervt ist, weil Reiner die Verabredung zum Geburtstagsbesuch bei seiner Mutter offensichtlich genauso verpeilt hat wie vieles andere in seinem Leben. So funkt sie dem Tod dazwischen, mit schwerwiegenden Konsequenzen, denn Morten wird seiner himmlischen Fähigkeiten beraubt, kann künftig nicht mehr körperlos und unsichtbar durch die Wände gehen. Wenn er die Vorzüge der fleischlichen Existenz entdeckt, beispielsweise das Prickeln von Bier auf der Zunge, erinnert das ein wenig an den Engel, der in Wim Wenders' »Himmel über Berlin« vom Zauber der menschlichen Existenz verführt wird.

Während man sich mit diesem liebenswürdig naiven Todesboten ganz gut arrangieren könnte, schickt Erzengel Michaela jedoch den deutlich skrupelloseren Auftragskiller Morck Mortus (Carlo Ljubek) hinterher, der den vermasselten Job zu Ende bringen soll. Im Versuch, die verärgerte Mutter so schnell wie möglich zu erreichen und zugleich dem Tod zu entfliehen, wird die Komödie zum rasanten Roadmovie. Und so wie schon zur Zeit der Existenzialisten das Bewusstsein von der Endlichkeit dem Leben einen Kick gab, packt auch Reiner noch ein paar verschleppte Dinge an, für die er eigentlich viel mehr Zeit bräuchte. 

Dimitrij Schaad spielt ihn mit dem schelmisch schläfrigen Charme, der ihn berühmt machte, lässt aber immer wieder auch eine Tiefe aufschimmern, die die locker in die Plänkeleien eingestreuten Lebensweisheiten über das Niveau von Poesiebuchsprüchen erhebt. Überhaupt ist es ein Vergnügen, dem fein orchestrierten Schauspielerensemble dabei zuzuschauen, wie es den existenziellen Fragen die Schwere, aber nicht die Substanz nimmt.

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