Kritik zu So This Is Christmas
Der irische Dokumentarfilmer Ken Wardrop befragt in seiner Doku Menschen in der Vorweihnachtszeit
»Was hat Santa mit Jesus zu tun?«, fragt in der Kirche ein Junge den Pfarrer, der gerade vorgegeben hat, mit Santa Claus, dem Nikolaus, telefoniert zu haben. »Darüber muss ich nachdenken«, sagt der Pfarrer zunächst und dann: »Ich glaube, Santa und Jesus sind beide sehr großzügig. Bei beiden geht es um die Botschaft von Hoffnung und Glückseligkeit.« Gerade noch mal geschafft. Im Anschluss an diese Szene besucht Ken Wardrop fünf Haushalte, die sich auf Weihnachten vorbereiten und bei denen es nicht sicher ist, dass es sich dabei um eine freud- und hoffnungsvolle Zeit handelt. Denn auch zu Weihnachten fehlt vielen ein geliebter Mensch, Gesellschaft überhaupt, die Möglichkeit, Freude zu empfinden oder zu teilen, oder einfach das Geld, um zu feiern und Geschenke zu besorgen.
Auf der Suche nach einem Blick hinter die Fassade von Lametta und Festlichkeit zieht Ken Wardrop durch eine irische Kleinstadt und zeigt, welche Risse sich auftun, wenn Erwartungen und Wirklichkeit aufeinanderprallen. Sean kann kaum lesen und schreiben und ist zu Weihnachten ebenso einsam wie an den meisten anderen Tagen, nur fällt es dann, wenn alle anderen im Kreis ihrer Lieben feiern, besonders auf. Loretta ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Arbeits- und mittellos, weiß sie schon an normalen Tagen nicht, wie sie genug Essen auf den Tisch bringen soll. Die kinderlose Annette muss damit zurechtkommen, dass man immer zu viel isst. »Weihnachten ist etwas für Kinder«, sagt sie. »Ich habe meine Entscheidung schon vor Jahren getroffen, und wenn die Eltern einmal tot sind, fallen die Familien auseinander.« Mary wiederum sitzt rauchend am Esstisch, während sie in die Kamera spricht und erzählt, dass sie früher nie einen Weihnachtsbaum im Haus hatten. Nun hat sie im Internet ein Designerstück für 350 Euro gefunden. »Ich glaube nicht, dass ich mir den kaufen werde«, sagt sie lachend und holt einen 30 cm hohen Plastikbaum aus dem Schrank, der sogar beleuchtet ist. Als Letzter kommt Jason, vielbeschäftigter Handwerker und Vater von zwei Söhnen. Noch immer belastet der frühe Krebstod der Mutter die Familie, aber sie halten zusammen, vor allem an Weihnachten. Auch wenn es gerade in diesen Tagen besonders schwerfällt, sich einfach nur zu freuen.
Der irische Dokumentarfilmer Ken Wardrop ist auf intime Porträts von ganz normalen Menschen spezialisiert. In seinem Film »His & Hers« befragte er über 70 irische Frauen über ihre Beziehungen zu Männern. Ihm ging es dabei nicht darum, etwas Besonderes herauszufinden, sondern darum, das Alltägliche zu zeigen und somit filmisch zu einer umfänglichen Oral History beizutragen. Auch in diesem Film gibt es nichts, was an Erkenntnis über das rein Individuelle hinausgehen könnte. Und doch erfahren wir viel von dem, was Weihnachten ausmacht. Denn auch hier zeichnet Wardrop im Kleinen einen Teil der Gesellschaft, der gern übersehen wird. Zwischen breitem Humor und einer inneren Tragik stellt er die Frage nach diesem Fest noch einmal auf eigene Weise. »Es geht nicht immer nur um Geld oder Spielsachen«, sagt Loretta zum Schluss und findet Zustimmung von Jason. »Oft ist Zeit das größte Geschenk, das man machen oder bekommen kann.«
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