Kritik zu A Skin So Soft
Der kanadische Regisseur Denis Côté (»Bestiaire«) beobachtet in seinem neuen Werk sechs Bodybuilder bei ihrem obsessiven Hobby
Ohne Sixpack hat es ein männlicher Hollywoodstar schwer. Doch jene Muskelberge, die Arnold Schwarzenegger 1982 als »Conan der Barbar« populär machte, sind noch einmal etwas anders. Bodybuilder betreiben einen extremen Körperkult. Mit Training und Ernährung blähen sie ihren Leib auf. Was aus der Sicht des Laien wie eine groteske Anamorphose erscheint, erschließt sich dem kundigen Auge des Kampfrichters als mathematisch präzise definiertes Ensemble von Wölbungen.
Der Kanadier Denis Côté hat sechs Bodybuilder aus Québec dabei beobachtet, wie sie ihren Alltag um diese Obsession herum gestalten. Keine Stars, sondern Hobbyathleten. Sie stemmen Hanteln und quälen sich über die Schmerzgrenze hinaus. »A Skin So Soft« ist ein puristischer Dokumentarfilm. Auf konventionelle Erklärungen wird verzichtet. Keine Inserts. Bilder von Hochhäusern deuten ein sozial schwaches Milieu an. Einer der Athleten lebt jedoch in einem luxuriösen Ambiente. Bodybuilding, so wird beiläufig klar, ist nicht schichtspezifisch.
Mit meditativer Ruhe fädelt die Kamera sich in unterschiedliche Trainingsrituale ein, die beiläufig aber präzise protokolliert werden. Côté zielt nie auf den »großen Moment«. Seine Dramaturgie ist ein Stück Beobachtungskunst. Dabei schält der Film zwei entgegengesetzte Zustände heraus. Mit zum bersten angespannten Muskeln nähert sich der Körper beim Posieren dem Ideal einer Skulptur an. Es scheint, als solle die Zeit in diesem gepressten Moment stillstehen. Zugleich aber wird die obsessive Rastlosigkeit eines auf jede Lebenssituation ausgedehnten Trainings beobachtet. Nahrungsaufnahme, bei der kiloweise Kraftfutter hineingeschaufelt wird, hat mit genussvollem Essen nichts zu tun. Der Bodybuilder lebt eine strenge Askese. Wenn gar nichts mehr geht, erfolgt der Anfeuerungsruf des Trainingspartners: Noch ein letztes Mal die Hantel stemmen. Und dann noch einmal. Ruhe und Entspannung? Gibt es nur, wenn die Jungs vor Erschöpfung in den Schlaf sinken.
Der Film spürt so einer sehr eigenen Form von Lust nach, die mit selten gesehener analytischer Intensität nachvollziehbar wird. So werden Bodybuilder als recht keusche Menschen gezeigt, die zwar teilweise ein Familienleben haben und sogar schreiende Kleinkinder herzen. Wirkliche Zärtlichkeiten scheinen diesen Männern trotz ihrer Körperfixiertheit aber irgendwie fremd zu sein. Dennoch wird in ihrem Sport eine eigentümliche Erotik erahnbar. Als wäre die Kultivierung der schmerzlich durchlebten körperlichen Züchtigung eine auf die Muskeln übertragene Form der sexuellen Anspannung.
Auf subtile Weise wird sichtbar, dass das Stemmen der Hanteln eine Erektion der Muskeln darstellt, die gemäß dem Aphorismus von Friedrich Nietzsche nie aufhören darf, weil alle Lust Ewigkeit will. Umso überraschender ist das Ende des Films, wenn die Muskelmänner ohne Frauen und Kinder – aber mit Spiegel – aufs Land fahren und wie fröhliche Kinder im idyllischen See planschen. Ein Film mit vielen kleinen Überraschungen.
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