Kritik zu Signs
In M. Night Shyamalans neuem Film schwinden, wieder einmal, die Gewissheiten
Urplötzlich wird der Mann aus dem Schlaf gerissen, und im Grunde ist alles, was fortan in diesem Film geschieht, diesem diffusen Zustand auf der unsicheren Grenze zwischen Wachen und Schlafen entrissen. Getrieben von einer unheilschwangeren Unruhe, für die es keine greifbaren Beweise gibt, springt Graham Hess (Mel Gibson) aus dem Bett, stürzt ins Zimmer seiner Kinder und dann nach draußen, wo es dunkel ist und ihm nach ein paar Schritten aus dem Haus die hohen Pflanzen seines Maisfeldes zusätzlich die Sicht rauben.
»Zeichen«, Hinweise auf fremde, ferne und dadurch immer auch irgendwie bedrohliche Mächte gab es auch in den vorangegangenen Filmen von M. Night Shyamalan, und immer fehlt seinen Helden der klärende Überblick. Für den indischstämmigen Regisseur ist Kino schon immer die Kunst der Verschleierung gewesen; so wie vor vielen Jahren Jacques Tourneur nimmt auch er den Augen die Sicht, damit die Bilder im Kopf dafür umso stärker wuchern. Schon in »The Sixth Sense« und in »Unbreakable« führten alle Wege der Erzählung aus der greifbaren Welt heraus, in ein Universum dunkler Ahnungen. Wie viele Helden des modernen Kinos müssen auch seine immer wieder aufs Neue erfahren, dass die Gewissheiten schwinden, und dass man den Augen und dem Verstand nicht mehr trauen kann. Dabei hat es durchaus Methode, dass M. Night Shyamalan sich die größten Stars holt – nach Bruce Willis nun Mel Gibson –, um die Zuschauer mit der Autorität ihrer Berühmtheit in die dunklen Zonen des Nichtbeweisbaren zu locken.
Ein Mann rennt, und während er rennend und schauend um Gewissheit ringt, geraten die Bilder um ihn herum ins Schwanken und Wanken: Dieses Gefühl der Unruhe, das von merkwürdigen Geräuschen und flackernden Lichtern befeuert wird und schon den ersten Bildern innewohnt, steigert sich im Verlauf des Films stetig. Gewiss ist dabei nur die Existenz der seltsamen Muster, die Graham Hess in seinem Feld findet, riesige Runen, die von einer höheren Macht in sein Korn gedrückt wurden. Woher sie kommen und was sie bedeuten, bleibt spekulativ: Den mageren Fakten steht ein überwältigendes Maß an Ungewissheit gegenüber. Gleichermaßen tröstlich und beunruhigend ist dabei, dass nach ihrer privaten Entdeckung aus der ganzen Welt von ähnlichen Zeichen berichtet wird, und in der Tat sind diese Phänomene keine filmische Fiktion: Seit Jahrhunderten und auf der ganzen Welt geben sie den Forschern unlösbare Rätsel auf. Gewiss scheint nur zu sein, dass sie in der Regel nicht von Menschenhand erstellt sein können. Nun spinnt Shyamalan die Fäden der Realität weiter und lässt seine verunsicherten Helden Indizien für eine Invasion Außerirdischer finden.
Und vielleicht muss man schon ein Regisseur sein, der kein Vollblutamerikaner ist, um seinen Helden ganz ohne naives Gottvertrauen in eine so maßlose Katastrophe laufen zu lassen: Denn schon bevor der Film beginnt, ist Mel Gibson ein Gezeichneter. Nach dem grausamen Unfalltod seiner Frau hat er schmerzerfüllt seine Tätigkeit als Geistlicher aufgegeben und versucht sich seitdem mit seinen beiden kleinen Kindern und seinem jüngeren Bruder (Joaquin Phoenix) in einer Welt einzurichten, die sich nur noch auf die materiellen Gewissheiten der Existenz verlässt. Und als es dann zum ersten Mal wirklich so aussieht, als würden mit einem Großteil der Welt auch die Grahams diese Katastrophe nicht überleben, ist Merrill Hess weniger über das Grauen der Ereignisse bestürzt als über die Leere in den Augen seines großen Bruders.
Um den Untergang der Welt auf die Leinwand zu malen, braucht er keine großen Effekte, sondern nur ganz kleine Entdeckungen, beispielsweise, dass es Zeiten gibt, in denen die Menschen keine Zeit mehr haben, oder keine Mittel, um Fernsehprogramme zu senden: Da suchen die Mitglieder der Familie, die sich verzweifelt in ihrem Haus verbarrikadieren, nach einer erlösenden Erklärung für die Schatten, die sie sehen, und die Töne, die sie hören und starren nur in die flimmernde Leere ihres Bildschirms. Auf die übermäßige Flut der Bilder lässt Shyamalan das große Schweigen folgen, und löst genau damit den wahren Terror aus.
Gleich am Anfang, als die ersten Zeichen im Feld gefunden werden, wird die Frage aufgeworfen, ob Schicksal oder Zufall sie herbeigeführt haben mögen, ob eine höhere Macht dahintersteht oder nur ein dummer Jungenstreich. Schicksal oder Zufall sind aber auch die Pole aller Shyamalan-Geschichten, und jeder seiner Filme strebt einem Moment entgegen, der hinter dem Chaos des Zufalls eine ordnende Macht erkennen lässt. Wenn dann all die geheimnisvollen Fäden der Erzählung zu einem irgendwie dann doch tröstlichen Ende kommen, dann spiegelt sich in der Arbeit des Filmemachers im Grunde das Wunder der menschlichen Existenz.
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